Nostradamus lässt grüßen

Die Sparbeschlüsse der rot-roten Koalition sind öffentlich. Die Begeisterung hielt sich in Grenzen. Einhellig wie nie protestieren die Oppositionsparteien und Verbände. Das Ende scheint nah

von THILO KUNZEMANN

Versagt, verspielt, vertan, vergeben. Egal ob Bündnis 90/Grüne, CDU oder IHK – keiner scheint zufrieden mit den Sparbeschlüssen der SPD-PDS-Koalition.

„So wurden die Bezirke noch nie gebeutelt“, geißelt der haushaltspolitische Sprecher der Berliner Grünen, Oliver Schruoffeneger, den Haushaltsentwurf. Die Senatsverwaltung hingegen sei geschont worden. Trotzdem, prophezeit Schruoffeneger, würden die einzelnen Haushalte am Ende des jeweiligen Jahres mit einem Defizit abschließen. Der einzig fantasievolle Sparvorschlag – ein bemerkenswertes Kriterium für die Qualität eines Haushalts – sei das geplante Begrüßungsgeld für Studenten. Diese Idee aber stamme von den Bündnis 90/Grünen.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Frank Steffel, sieht in den Sparplänen ein verherrendes Signal an die Berliner Wirtschaft. „Anstatt Mehreinnahmen zu generieren, wird eine Kahlschlagpolitik betrieben, die das Aus für Tausende von Arbeitsplätzen bedeutet.“ Trotz dieser Kritik hält aber auch die CDU die Sparvorgaben für ungenügend.

Der Landeshaushalt, erklärte Steffel, könne so nicht konsolidiert werden. Die Personalkürzungen seine eine „reine Luftbuchung“. Auch den angekündigten Mentalitätswechsel konnte Steffel nicht erkennen. Sein Fazit: Keine Zukunftsperspektive in Sicht, dafür aber sei „die noch vorhandene Hoffnung auf Besserung weiter zerstört“. Der haushaltspolitische Sprecher der CDU, Nicolas Zimmer, vermutet, dass die Fachressorts vermutlich noch nicht wüssten, wie und wo sie ihre Minderausgaben erbringen sollen.

Der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) wiederum wird zu viel gespart. Sie hält den Doppelhaushalt gar für verfassungswidrig. „Die investiven Ansätze sind zu gering“, sagte IHK-Präsident Werner Gegenbauer. Ausgaben würden derzeit „grundsätzlich als schlecht“ angesehen. Es gebe aber auch Ausgaben, die volkswirtschaftlichen Nutzen hätten, sagte Gegenbauer bei der gestrigen Jahrespressekonferenz der Kammer. An die Regierenden appellierte Gegenbauer: „Die Stärken der Stadt müssen in Zukunft gestärkt werden, nicht die Schwächen.“

Um sich vor ähnlichen Aussagen zu schützen, verzichteten die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern auf Statements. Man wolle sich erst Gedanken machen und erst heute eine Erklärung abgeben, sagte eine Sprecherin des DGB in Berlin.

Die Kirchen stört, dass trotz des verhaltenen Sparkurses der Koalition die geplanten Kürzungen bei Schulen in freier Trägerschaft ausgeführt werden sollen. Statt sieben Prozent auf einen Schlag sollen nun jedes Jahr zwei Prozent von bisher 97 Prozent Lohnzuschuss gestrichen werden. Das sei „inakzeptabel“, kritisierte das katholische Erzbistum Berlin. Jetzt würden rechtliche Schritte gegen den Senatsbeschluss geprüft. Als „Augenwischerei“ bezeichnete der Sprecher der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Reinhard Lampe, die gestaffelten Kürzungen.

Auch aus den eigenen Reihen bekam Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gestern Kritik zu hören. Ein Teil der Einsparungen sei „kurzsichtig“, bemängelte die PDS-Sozialsenatorin Heide Knake-Werner. „Ich finde es problematisch, dass wir im Moment unter diesem enormen Zeitdruck politische Entscheidungen treffen müssen“, sagte sie dem „F.A.Z. Business Radio“.