Sendungen auf Kurdisch wohl dosiert

Türkische Regierung bereitet Beschluss vor. Damit sollen vor allem innenpolitische Spannungen entschärft werden

ISTANBUL taz ■ Die türkische Regierung hat sich offenbar entschlossen, demnächst Rundfunk und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache in eng begrenzter Form zuzulassen. Wie der Nachrichtensender NTV meldet, wird das Kabinett in den kommenden Tagen einen entsprechenden Beschluss fassen. Vorgesehen ist, auf einem der vier Kanäle des Staatsfernsehens „TRT“ und im Rundfunksender „Stimme der Türkei“ wahrscheinlich eine halbe Stunde am Tag Sendungen in kurdischer Sprache auszustrahlen. Nach dem Bericht von NTV hat die Rundfunkaufsichtsbehörde Rütük vorgeschlagen, im Rundfunkgesetz einen Passus nach französischem Vorbild aufzunehmen, wo der Staatsrundfunk an mehreren Tagen in der Woche Sendungen in korsischer Sprache ausstrahlt.

Vor ihrer Entscheidung hatte die Regierung die Sicherheitsorgane des Landes aufgefordert, zu der Frage, ob Sendungen in kurdischer Sprache erlaubt werden sollen, eine Stellungnahme abzugeben. Laut NTV haben sowohl das Militär als auch die zuständigen Polizeibehörden geraten, Sendungen in anderer als der türkischen Sprache „begrenzt und kontrolliert“ zuzulassen.

Die Debatte um die Zulassung der kurdischen Sprache in den offiziellen Medien der Türkei wird seit der Verhaftung und Verurteilung Abdullah Öcalans und der anschließenden Einstellung der bewaffneten Kämpfe durch die PKK mehr oder weniger heftig geführt. Kurdisches Fernsehen gehört zu dem Katalog der EU unter der Rubrik „Kulturelle Rechte für Minderheiten“ und wird als Teil der Kopenhagener Kriterien angesehen, die die Türkei vor Aufnahme von Beitrittsgesprächen erfüllen muss. Seit die Termine zur Umsetzung bestimmter Reformen im so gennanten „Fahrplan“ näher rücken – Termin für den ersten Reformblock ist der 19. März – nimmt die innenpolitische Auseinandersetzung an Schärfe zu.

Höhepunkt dieser Auseinandersetzung war ein Auftritt des Generalsekretärs des Nationalen Sicherheitsrates, General Tuncer Kilinc, in der letzten Woche, der in einer öffentlichen Veranstaltung der Kriegsakademie gesagt hatte: Die EU wird nie bereit sein, die Türkei als Vollmitglied aufzunehmen, die Türkei solle ihre eigenen Interessen wahrnehmen, statt sich die Agenda von Brüssel diktieren zu lassen, und es wäre an der Zeit, sich nach anderen außenpolitischen Optionen umzusehen. Der Auftritt wurde zwar umgehend zur Privatmeinung des Generals erklärt, aber er zeigt, dass zumindest ein Teil der in der Türkei nach wie entscheidenden Institution in der EU eher einen Gegner als einen Partner sieht.

Auch die Rhetorik des ultranationalistischen Koalitionspartners MHP hat sich in den letzten Wochen verschärft und zu schweren Spannungen mit den anderen beiden Regierungsparteien geführt. Mit dem bevorstehenden Kabinettsbeschluss sollen diese Spannungen wieder entschärft werden. Denn die eine Seite hofft, damit ein positives Signal nach Brüssel senden zu können, während die MHP davon ausgeht, nach einem minimalen Zugeständnis weitere Reformen abblocken zu können.

JÜRGEN GOTTSCHLICH