Johann ist nicht nur gut gelitten

Trotz der zwei Goldmedaillen im Skilanglauf gibt es in Spanien auch Kritik am Sportsystem Mühlegg

MADRID taz ■ Spanien ist im Goldrausch. „Wir stehen im Medaillenspiegel vor den Österreichern“, jubelte gestern ein Sportreporter, bevor er die x-te Lobeshymne auf den Langläufer Johann Mühlegg anstimmte. Denn nach dem 30-Kilometer-Rennen zum Auftakt der Spiele entschied Mühlegg auch das Verfolgungsrennen über 10 Kilometer klassisch und 10 Kilometer Freistil für sich – und damit für Spanien.

Zweimal Gold für denselben Sportler und die dritte Medaille – über 50 Kilometer nächsten Samstag – angepeilt, das gab es im spanischen Sport noch nie, schon gar nicht im Winter. „Indurain auf Skiern“, „eine Bombe“ – die Superlative überschlagen sich, wenn es um Johann Mühlegg, den Skilangläufer aus dem bayerischen Marktoberndorf, geht. Doch nicht allen Spaniern ist zum Feiern zu Mute. „Der Mühlegg kann mir den Buckel runterrutschen“, erklärt ausgerechnet Francisco Fernandez-Ochoa, 1972 in Sapporo der erste spanische Skisportler, der Gold errang, im Slalom nämlich. „Die haben sich einen Dreck um die Langläufer geschert. Und jetzt überschlägt sich das Fernsehen, wenn es darum geht, dummes Zeug zu erzählen“, schimpft die Sportlegende. Außer im Fußball gebe es im Land keine Sportförderung, die diesen Namen verdiene, findet Ochoa zudem. Ein Blick auf die spanische Olympiamannschaft gibt ihm Recht.

In Salt Lake City treten außer Mühlegg lediglich sechs weitere Sportler unter der Fahne des Königreiches an. Der Skiverband, für den Mühlegg mit seinem neuen Pass gewinnt, ist faktisch nicht existent, er muss seit letztem Jahr gar ohne Vorsitzenden auskommen. „Das Ganze hier ist reine Politik“, findet Fernandez-Ochoa und empfiehlt leicht zynisch: „Was wir künftig tun sollten, ist, nach Afrika zu fahren, um dort Athleten zu suchen. Oder uns in Deutschland umzuschauen. Und wenn wir jemanden sehen, der gut ist, müssen wir ihn nur nach Spanien holen.“ Ochoa weiter: „Mühlegg ist ein außerordentlicher Läufer. Das erkenne ich an. Aber als Spanier identifiziere ich mich nicht mit ihm. Das ist das Gleiche, wie wenn ein Norweger gewinnen würde.“ Und 53 Prozent schlossen sich bei einer Internetumfrage Ochoas Meinung an.

„Spanien ist mein Land“, hält derweil Juanito Mühlegg dagegen. Er ist stolz auf den Anruf von König Juan Carlos nach seinen beiden Olympiasiegen. „Ich freue mich sehr, für Spanien laufen zu können“, fügt er in mehr als holprigem Spanisch hinzu. Allzu weit geht der Nationalstolz des Mannes, der nach seinem Scheiden aus dem deutschen Verband zunächst die italienische Staatsbürgerschaft anvisierte, aber nicht. Denn wenn es morgen darum ginge, sich in der Staffel das Hemd für Spanien zu zerreißen, bleibt Juanito lieber im Hotel – und die spanische Staffel muss mangels Masse ausfallen. Mühlegg wird es verschmerzen, Aussicht auf Erfolg hätte ohnehin nicht bestanden. Juanitos iberische Mitstreiter Juan Gutierrez und Haritz Zunzunegui trainieren ohne große Unterstützung und landeten am Donnerstag auf Platz 37 und 58. Fernandez-Ochoa hat das als Bestätigung seiner Worte gewertet.

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