Kinder, Klima und Behörden

Australien debattiert mögliche Ursachen der schweren Buschbrände. Ist ein falsches Umweltbewusstsein schuld oder sind die Feuer bereits Folge des Klimawandels?

MELBOURNE taz ■ Trotz des zwischenzeitlichen Regens gehen die verheerenden Buschbrände um die Metropole Sydney weiter. Zwei Wochen nach Ausbruch der Brände sind jetzt einige Küstenstädte im Süden Sydneys gefährdet, wo eine Feuerwand von 45 Kilometern Länge lodert. Bisher verbrannten 170 Häuser. In der öffentlichen Debatte im Bundesstaat Neusüdwales wird jetzt verstärkt die Schuldfrage diskutiert. Bis gestern Abend nahm die Polizei 40 mutmaßliche Brandstifter fest, die meisten von ihnen Kinder und Jugendliche. „Es war nur ein dummer Streich,“ verteidgte der Vater eines Festgenommenen seinen Sohn.

Bewohner feuergeschädigter Gebiete, Oppositionspolitiker und ein Wissenschaftler der halbstaatlichen Forschungsstelle CSIRO, Phil Cheney, werfen den zuständigen Behörden inzwischen vor, die Feuerschutzmaßnahmen vernachlässigt zu haben. Dazu gehörten vor allem das kontrollierte Abbrennen toter Vegetation und das Schlagen von Schneisen, um möglichen Feuern die Nahrung zu entziehen und so ihre Ausbreitung zu verhindern.

Im Zentrum der Kritik steht der Generaldirektor der Staatsbehörde für die Nationalparks und den Tierschutz, Brian Gilligan. Ihm droht der Bauernverband von Neusüdwales jetzt sogar eine Klage wegen Fahrlässigkeit an. Die Farmer beschuldigen den „National Parks and Wildlife Service“, durch seine Versäumnisse das Abbrennen ihrer Ländereien und den Feuertod von 5.000 Schafen und 100 Rindern im Yeoval-Distrikt verursacht zu haben.

Gilligan kontert mit dem Argument, „wenn die zuständigen Kommunalausschüsse darüber entscheiden, wo man abbrennt und wo nicht, haben sie keine magische Kristallkugel, die ihnen sagt, wo der nächste Blitz einschlägt, oder wo der nächste Brandstifter zuschlägt.“ Auch Feuerwehrkommissar Phil Koperberg wehrt ab: Jedes Jahr würden 500.000 bis 600.000 Hektar Land von feuergefährlichem Vegetationsmaterial gesäubert.

Aber die konservative Opposition im Landesparlament in Sydney verweist darauf, dass selbst der Jahresbericht der Behörde für Nationalparks und Tierschutz eine 60-prozentige Verminderung der Maßnahmen zur Reduzierung brandgefährlicher Stoffe in der Natur während der vergangenen sieben Jahre ausweist. Oppositionssprecher Andrew Fraser beklagt, dass kein Projekt zur Verminderung dieser Stoffe starten könne, bevor nicht eine wissenschaftliche Umweltverträglichkeitsstudie erstellt worden sei. Schließlich sind Australiens Umweltschützer bestrebt, die Natur möglichst unangetastet zu lassen.

Die Kritiker fordern eine erhebliche Vergrößerung holzleerer Schneisen um die an Nationalparks angrenzenden Wohnhäuser und Beschränkungen für die neue Erschließungen von Buschland für Besiedlungszwecke. Mahnende Stimmen erheben sich auch gegen die Verlegung von Altersheimen in entlegene Buschlandgebiete, wo die Grundstückpreise niedriger sind als in Großstadtnähe. Bereits während der jetzigen Buschfeuerkrise mussten einige Altersheime bereits evakuiert werden.

Die Australier werden in Fragen der Sicherheit vor Buschfeuern noch kräftig umdenken müssen, wenn ihre Klimaexperten recht behalten sollten. Professor Ian Noble von der Australischen National-Universität in Canberra glaubt, dass die seit Weihnachten tobenden Brände nicht nur ein weiterer Beweis für Klimaänderungen infolge der globalen Erwärmung seien, sondern bereits Besorgnis erregende Auswirkungen auf die australische Umwelt erreicht hätten. Er erwartet künftig für Australien noch mehr extreme Temperaturen, Dürren, Buschfeuer, El-Nino-Erscheinungen und Überschwemmungen.

Für diejenigen, die an solche Warnungen glauben, hat auf dem Antipodenkontinent die verheerende globale Zukunft bereits begonnen.

BORIS B. BEHRSING