Keine Ferien in der Provence

aus dem wallonischen Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Normalerweise ist mein Zeitungshändler eine provenzalische Insel im grauen Brüsseler Strom. Im Schaufenster hängen impressionistische Klecksereien aus seinem südfranzösischen Feriendomizil, und wenn man morgens über die Schwelle tritt und mit Georges Brassens empfangen wird, ist der Tag schon gerettet. Er nennt mich „Mademoiselle“ und tut jedes Mal wieder erstaunt, wenn ich ihn daran erinnere, dass ich zwei große Kinder habe.

Neulich versuchte ich ihm ein paar nostalgische Bemerkungen über den belgischen Franc zu entlocken. Doch wie viele Wallonen ist auch er im Herzen Franzose und offiziell Europäer. Dem Franc weint er keine Träne nach. Die Belgier seien schließlich traditionell ein Handelsvolk und wüssten schon deshalb die Vorteile der Gemeinschaftswährung zu schätzen. Außerdem lebe man seit 1921 in Währungsunion mit Luxemburg.

Wenige Tage vor Weihnachten schlägt die Stimmung um. An diesem Morgen schweigt das Radio, der Boxerhund guckt melancholisch, sein Herrchen ebenso. Vorwurfsvoll zeigt er auf die acht Fächer seiner Ladenkasse und fragt mich, wie die Herrschaften sich vorstellen, dass er in der Doppelwährungsphase alles sortiert bekommen soll? Und wenn seine Kunden vielleicht glaubten, er spiele Wechselautomat für sie – no merci!

Diese Rentner, die sich den ganzen Tag den Arsch breit säßen und dann mit belgischen Franc ankämen, zu faul, zur Bank zu gehen – die bekämen von ihm auch belgische Franc zurück, jawohl! Meinen schüchternen Einwand, dass gerade älteren Leuten auf diese Weise die Umstellung erleichtert werden solle, wischt er ärgerlich beiseite. Er habe ein Zeitungsgeschäft, keine Wechselstube. Dann rückt er damit raus, warum er auf einmal so sauer auf den Euro ist: Der Januarurlaub in der Provence fällt dieses Jahr aus, sonst bringt ihm die Urlaubsvertretung womöglich die ganze Kasse durcheinander.