das elend mit der post
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von RALF SOTSCHECK

Im März hat sich die britische Post umbenannt. Seitdem heißt sie „Consignia“ und ist eine Aktiengesellschaft, die der Regierung gehört, weil sich sonst niemand für die Aktien interessiert. Namenswechsel haben Tradition in Britannien. Ist der Ruf ruiniert, legt man sich flugs einen neuen Namen zu. Die Plutoniumschleuder Windscale zum Beispiel wurde nach einer Kette von Unfällen zu Sellafield und verseucht die Umwelt unvermindert weiter. Das Rüstungsunternehmen Thomson taufte sich in Thales um – nach einem griechischen Philosophen, der im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die Theorie aufstellte, dass alles aus Wasser bestehe. Und nach dem Aktienskandal um Guinness fusionierte der von Irland nach England ausgewanderte Bierriese mit dem Schnapsgiganten Grand Metropolitan und nannte sich griechisch-römisch Diageo – der Tag und die Welt.

Nicht immer hat ein Namenswechsel jedoch den gewünschten Effekt. Sellafield ist zum Inbegriff für regelmäßige Unfälle, radioaktive Verseuchung und Vertuschung geworden und aus dem gigantischen Profit, den der Getränkegigant Diageo angepeilt hatte, ist nichts geworden. Bei der Post ist die Umtaufung gründlich schief gegangen. Der alte Name war in Verruf geraten, weil das Ziel, 92,5 Prozent aller Inlandsbriefe bis halb zehn am nächsten Morgen auszuliefern, nicht mal in Sichtweite war.

Mit Consignia sollte alles besser werden. Ein Jahr später überlegt das Unternehmen, den Briefverkehr ganz einzustellen, da man im ersten Halbjahr 281 Millionen Pfund Verlust gemacht hat. Im März sagte Geschäftsführer John Roberts: „Die regierungseigene Aktiengesellschaft hat bessere Möglichkeiten, zu investieren und Kredite aufzunehmen.“ Mehr als 75 Millionen Pfund im Jahr darf Consignia allerdings nicht borgen, das hat die Regierung zur Auflage gemacht. Außerdem müssen die Kosten um 15 Prozent gesenkt werden. Das heißt, man muss 30.000 Leute entlassen.

Vermutlich alles Briefträger, wenn man Consignias Pläne betrachtet. Ab Januar startet die Nicht-Post verschiedene Pilotsparprojekte. Unter anderem will man Geschäftsbriefe öffnen, in einen Computer einscannen und dann per E-Mail verschicken. Bei Privatbriefen geht man noch nicht ganz so weit. Die sollen an Ausgabestellen an Bahnhöfen für die Kundschaft zur Abholung bereitgehalten werden.

Premierminister Tony Blair war von den Jobverlusten angeblich überrascht. Man habe ihn in die Pläne nicht eingeweiht, sagte er mit großen Augen. Einen Tag später erklärte das Handelsministerium, das Kabinett sei bereits im Oktober informiert worden, dass der Laden kurz vor dem Bankrott stehe und es zunehmend schwieriger finde, den grundlegenden Service aufrechtzuerhalten. Im März hatte John Roberts erklärt: „Der neue Name beschreibt die ganze Bandbreite unseres Unternehmens, wie es die Worte ‚Post‘ und ‚Amt‘ nicht konnten.“ Der Mann hat Recht. „Consign“ bedeutet laut Oxford Pocket Dictionary: „Etwas dem Elend, dem Grab oder einer anderen Person übergeben.“