Bei der Arbeit angeschossen

Journalisten in Konfliktzonen haben‘s eben schwer: So lapidar entschuldigt die israelische Armee den mangelnden Willen zur Aufklärung von Gewalt gegen die Presse. Und palästinensische Journalisten dürfen bald gar nicht mehr nach Israel einreisen

aus Jerusalem ANNE PONGER

Das Scheitern der Armee bei der Suche und Bestrafung von Soldaten, die Journalisten seit Ausbruch der Intifada vor 14 Monaten durch Schüsse verletzt hatten, ist vom Auslandspresseverband (FPA) in Israel scharf kritisiert worden. Die internationale Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hatte vierzig Journalisten registriert, die bei ihrer Arbeit in Palästinensergebieten angeschossen worden waren. Andere waren von Soldaten und Siedlern verprügelt und festgenommen worden, man hatte ihre Ausrüstungen zerschlagen und ihr Material zerstört.

Als Antwort auf Klagen, die seit Herbst vergangenen Jahres eingereicht wurden, legte die Armee nun ihren ersten Untersuchungsbericht vor. Daraus geht hervor, dass nur in einem Fall ein Verantwortlicher zur Rechenschaft gezogen wurde: Ein Kommandant, nicht der Schütze selbst, wurde dafür gerügt, dass die Fotografin Yola Monakhov am 11. November 2000 in Bethlehem durch einen Bauchschuss schwer verletzt worden war. Die Kugel, die man ihr herausoperierte, hatte ein Soldat aus nächster Nähe und offenbar aus Wut auf sie abgefeuert, als sie eine Konfrontation zwischen Palästinensern und israelischen Truppen in der Stadt fotografierte.

Andere Fälle wie die verletzenden Schüsse auf den Reporter Jacques-Marie Bourget von Paris-Match in Ramallah, den Newsweek-Fotografen Luc Delahaye bei Ramallah, die Reuters-Fotografen Mazen Dana und Machfuz Abu-Turk bei Hebron bzw. Bethlehem, den AFP-Fotografen Patrick Baz an der Einfahrt nach Ramallah, die „Abu Dhabi-TV“- Reporterin Leila Odeh bei Rafah, den CNN-Reporter Ben Wedeman am Gaza-Checkpoint Karni und alle weiteren blieben ungeklärt.

Als Gründe dafür werden Chaos zum Zeitpunkt der Schüsse und die verstrichene Zeit angeführt, gekoppelt mit Zweifeln an der Schussquelle und dem lapidaren Hinweis auf das Risiko, das Journalisten in Konfliktzonen eben auf sich nähmen. Für die FPA gilt der Bericht als Beweis, dass die Armee weder gründlich noch guten Willens untersucht hat.

„Dies vermittelt Soldaten die Botschaft, dass Vermeidung von Schüssen auf Journalisten keine hohe Priorität hat“, protestierte die FPA. In letzter Zeit wurden zwar keine Fälle mehr bekannt, in denen Journalisten durch Schüsse verwundet wurden, obwohl auf deutlich markierte Journalistenfahrzeuge durchaus gefeuert wurde. Dass es keine verletzten Journalisten mehr gab, ist vor allem den Schutzmaßnahmen zu verdanken, die Medienorganisationen und Journalisten ergriffen haben: In den besetzten Gebieten legt man schusssichere Westen an und fährt in gepanzerten Autos.

Zusätzliche Einschränkung der Pressefreiheit droht aus dem Regierungspresseamt. Dort wurde beschlossen, die Presseausweise palästinensischer Journalisten, die für ausländische Medien arbeiten, im kommenden Jahr nicht zu verlängern. Stattdessen werden sie orangefarbene Sonderausweise erhalten, die nur für die Palästinensergebiete gelten und keine Einreise nach Israel gestatten. Obwohl Israel drei Viertel des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens kontrolliert, möchte es sich für palästinensische Journalisten nicht mehr verantwortlich fühlen, so als gäbe es bereits einen Staat Palästina. Dahinter steht offensichtlich die Hoffnung, daß ausländische Medienorganisationen die Konsequenzen ziehen und sich von ihren palästinensischen Mitarbeitern trennen. Ganz unverhohlen werden vom Presseamt Sicherheitsgründe und der Vorwurf angeführt, dass „palästinensische Journalisten mit palästinensischer Propaganda kollaborieren“.

Praktisch bedeutet die Ausgrenzung palästinensischer Journalisten durch den Entzug des Presseausweises, dass sie ihre ausländischen Büros innerhalb Israels nicht mehr aufsuchen können und in den besetzten Gebieten nicht mehr eindeutig als Journalisten erkennbar sind. Das bringt nicht nur sie in Gefahr, sondern auch die ausländischen Korrespondenten, die in den besetzten Gebieten von ortskundigen palästinensischen Kollegen begleitet werden. Der Journalist und Friedensaktivist Uri Avneri sah darin einen weiteren Versuch, palästinensische Identität zu brechen und palästinensischen Journalisten die Lebensgrundlage zu rauben. „Es naht der Tag, an dem keiner mehr einen Presseausweis bekommt, der etwa gegen die Gefühle des nationalen Lagers schreibt“, warnte er.