Bremen: in der Bildung keine Speerspitze

■ Für die Eigenständigkeit von Schulen gibt es viele Beispiele in Europa. Was davon in Bremen wahr werden kann, ist noch umstritten / CDU und SPD für mehr Eigenständigkeit – bloß wie?

Die wochenlange Aufregung um einen Entwurf über ein „Gesetz über die Umwandlung öffentlicher Schulen“ wurde gestern in der Bildungsdeputation versachlicht. Eine Entscheidung darüber, wie Bremens Schulen künftig eigenständiger und besser arbeiten – das heißt wirtschaften und unterrichten – ist jedoch noch nicht abzusehen.

Die VertreterInnen aller Parteien betonten gestern im Anschluss an die Sitzung, bei der Bildungsexperte aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gehört wurden, dass Konsens bestehe: Mehr Eigenständigkeit von Schulen sei dringend erwünscht. „Der Weg dahin ist aber noch offen“, so die SPD-Bildungspolitikerin Ulrike Hövelmann.

Damit distanzierte sich die SPD-Politikerin vorsichtig von einem Entwurf für ein „Gesetz über die Umwandlung öffentlicher Schulen“, wonach Bremens Schulen künftig als „Anstalten öffentlichen Rechts“ in größerer Freiheit wirtschaften und entscheiden sollten (taz vom 12. November). Die Ziele dieses Projektes seien jedoch richtig, so die SPD-Politikerin. Die gestrige Veranstaltung habe deutlich gemacht, dass für qualitativ gute Schulen und eigenständiges Lernen Deregulierung erforderlich sei. Auch SPD-Bildungssenator Willi Lemke hatte zu Sitzungsbeginn betont, dass seine Behörde auch andere Wege prüfe, um dahin zu kommen – gemäß Lemkes Wahlspruch: „Es kommt nicht auf das System an, es kommt auf den Unterricht an.“

Mehr Eigenständigkeit von Schulen – das erwartet künftig auch der CDU-Bildungspolitiker Claas Rohmeyer. Vom Gesetzentwurf nimmt er jedoch an, „dass der wieder in der Schublade der Bildungsbehörde verschwindet“. Für die CDU sei vorrangig, dass Schulen qualitative Verbesserungen erzielten. Das könne durch Eigenständigkeit erreicht werden – im Rahmen bereits bestehender gesetzlicher Möglichkeiten. Modellversuche seien gemäß des Koalitionsvertrags ja vorgesehen. Grundsätzlich wolle er auch nicht ausschließen, dass insbesondere Grundschulen und Berufsschulen in unterschiedlicher Form eigenständig werden könnten.

„Den Politikern mangelt an Mut“, befürchtet nun der Schulleiter der Gesamtschule Ost, Franz Jentschke. Er war Mitglied der vielköpfigen Arbeitsgruppe, die den umstrittenen Gesetzentwurf erarbeitet hat. Natürlich gebe es vielerorts Vorbehalte, räumt Jentschke ein. Doch unbestritten sei – vor allem nach den Referaten der auswärtigen Sachverständigen gestern –, dass wer eigenständig arbeite, besser arbeite. Bremen sei im europäischen Vergleich „keineswegs Speerspitze der Bewegung“, wenn Schulen als Einrichtungen öffentlichen Rechts eigenständiger würden. In Finnland und Schweden gebe es dafür erfolgreiche Vorbilder. Nach der aktuellen Debatte, auf das alte Schulgesetz zurückzugreifen und zu erklären, dass damit schon viel Eigenständigkeit möglich sei, gebe nicht das nötige Signal für einen neuen Aufbruch.

Nach Ansicht des grünen Bildungspolitikers Dieter Mützelburg ist nun insbesondere der Zentralelternbeirat aufgefordert zu handeln. „Man muss das Bildungssystem auf die Füße stellen – und jetzt mit Modellvorschlägen kommen.“ Weiteren Strukturdebatten, wie sie durch den Gesetzentwurf nur befördert würden, hält er für wenig hilfreich. „Jetzt ist die Frage, wie man Qualität organisieren kann“, so Mützelburg. „Wenn Schulen bereit sind, Qualität zu beweisen, sollten sie die notwendigen Freiheiten bekommen.“ Auch in dieser Hinsicht hätten die Vorträge gestern Wege aufgezeigt. In Schweden beispielsweise würden Schulen ihre Programme öffentlich bekannt machen und sich einer Bewertung durch Außenstehende unterwerfen.

Eva Rhode