„Ich bin frei“

Die Doku „Tagebuch“ (Sonntag, 18 Uhr, 3sat) beschäftigt sich mit dem Leben der Gelddiebin Katharina de Fries

Ein „Tagesschau“-Sprecher würde sachlich-distanziert etwa Folgendes sagen: „Am 7. November 1980 überfielen Katharina de Fries und ein Komplize in Berlin zwei Geldboten. Noch am Tatort wurden sie festgenommen.“

Da der viertelstündige Film auf einen Sprecher verzichtet, darf de Fries die Aktion aus ihrer Sicht darstellen, und dann hört sich das natürlich anders an: „Ich habe mich eingesetzt für eine Sache, die ich für richtig hielt. Und die halte ich immer noch für richtig.“ Sie habe Geld gebraucht, um Freunde aus dem Gefängnis zu befreien und sie ins Ausland zu schleusen, sagt die 67-Jährige mit den kastanienrot gefärbten Haaren. Und im Hintergrund heult die Orgel der Doors.

In der Untersuchungshaft erfuhr Katharina de Fries, dass sie schwanger ist; nach einer Fehlgeburt wurde sie gegen Kaution vorläufig auf freien Fuß gesetzt. Sie flüchtete nach Frankreich. „Es wird Winter in Paris. Es ist kalt, die Menschen gehen schneller durch die Straßen, sie halten die Jacken zu am Hals und den Kindern läuft die Nase. Für mich ist es der schönste Winter der Welt. Ich bin frei“, schrieb sie im November 1981 in der taz, für die sie mehrere Jahre lang als Korrespondentin aus der französischen Kapitale berichtete.

So frei war sie jedoch nicht. Noch immer war das BKA hinter ihr her, die Bundesrepublik pochte auf Auslieferung. Die Enkelin eines preußischen Beamten zog um in die Normandie, wo sie heute noch lebt und wo auch dieser Film gedreht wurde.

„Tagebuch“ ist im Ganzen durchaus sehenswert, weil sehr persönlich. Den Überfall, den sie unternahm, um ihren bei Anti-Vietnamkrieg-Demos verhafteten Freunden zu helfen, und manche de Fries’sche Meinung muss man trotzdem nicht gut finden. Der Schwachpunkt des Machwerks ist der Versuch, die Tat mit jungen Darstellern nachzuspielen. ALEXANDER KÜHN