ein taxi über den atlantik von RALF SOTSCHECK
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Hunderte irischer Urlauber saßen nach den Anschlägen vom 11. September eine Woche lang in den USA fest – nur eine nicht: Mary O’Rourke, die irische Unternehmensministerin. Sie hatte ein paar Tage Urlaub in den Vereinigten Staaten gemacht, wozu gibt es schließlich die großzügigen Parlamentsferien? Nachdem das World Trade Center zusammengekracht war, wollte sie dann aber schnell nach Brüssel. Dort trafen sich nämlich die Transportminister der Europäischen Union zu einer Sondersitzung, auf der O’Rourke nicht fehlen durfte: Irland kontrolliert vom Flughafen Shannon aus weite Teile des Luftraums über dem Atlantik, erklärte ein Sprecher ihres Ministeriums stolz. Offenbar gab es niemanden, der die Ministerin bei dieser wichtigen Sitzung vertreten konnte.

Wie sollte sie aber nach Brüssel kommen? Eigentlich hatte sie einen belgischen Minister, der mit einer Militärmaschine nach Hause flog, um einen Lift gebeten, doch der Belgier winkte ab: Fremde Personen kämen ihm nicht in sein Flugzeug in diesen unsicheren Zeiten. So nahm O’Rourke ein Taxi – ein Lufttaxi, versteht sich. Das kostete umgerechnet 200.000 Mark, weil das Taxi leer zurückfliegen musste. In Brüssel fand sich so schnell keine Kundschaft, die dringend nach New York wollte und sich an den Kosten beteiligt hätte.

Dabei besitzt die irische Luftwaffe ihr eigenes Flugzeug, einen modernen Gulfstream G4-Jet. Der aber ist seit Monaten außer Gefecht. Auf dem Militärflughafen Baldonnel im Süden Dublins gibt es keinen Hangar, der groß genug für den Jet ist. So parkte man die Maschine in einem Mini-Hangar, doch die Heckflosse schaute hinten heraus. Und rostete langsam vor sich hin. Die Luftwaffe hatte dem Verteidigungsministerium damals geraten, eine größere Halle für die Neuanschaffung zu bauen, doch die Minister schlugen den Rat in den Wind. Das ist so, als ob man sich bei einem Starfriseur eine sündhaft teure Dauerwelle für ein Freiluftkonzert machen lässt, aber die zehn Mark für einen Regenschirm spart.

Die Reparaturarbeiten, die im Gulfstream-Hauptsitz in Savannah durchgeführt werden müssen, kosten umgerechnet mehr als 600.000 Mark. Dazu muss man das teure Gerät jedoch erst notdürftig flugtauglich machen, damit unterwegs nicht das Heck verloren geht. Für das Geld hätte man dem Prachtstück der Luftwaffe eine geräumige, beheizte Halle bauen und dazu die Taxikosten für die Ministerin sparen können.

Diese Kosten will die irische Regierung jedoch wieder hereinholen: Die Europäische Union soll für das Flugtaxi aufkommen. Schließlich können die Iren ja nichts dafür, dass irgendwelche Terroristen New York und Washington angegriffen und eine Notstandssitzung in Brüssel erforderlich gemacht haben. Die Iren haben ihre Schuldigkeit getan und ihre Flughäfen den US- Kampfflugzeugen für eine Zwischenlandung zur Verfügung gestellt. Das Angebot wurde bisher noch nicht in Anspruch genommen. Vermutlich befürchten die US- Militärs, das ihre Maschinen nicht mehr zu gebrauchen sind, wenn die den Iren erst mal in die Hände gefallen sind.