Mit Geranien gegen den Rest der Welt

■ Der Stadtgeschichts-Aktivist Alfred Taake pflanzt auf dem Teerhof Parkplätze zu. Damit will er der Bevölkerung einmalige Blicke und eines (fernen) Tages den Anfang der längsten maritimen Meile der Republik bescheren

Er pflanzt wieder. Gerade eben kommt Alfred Taake mit seinem Auto herangefahren und lädt kistenweise Blumen aus. Geranien. Wie immer Geranien. Mit diesen Geranien erobert der pensionierte Eisenbahn-Ausbesserungswerker (und Stadtgeschichts-Aktivist, Hanse-Museums-Gründer, Industrie-Museums-Visionär, Koggen-Fan, Stadt-am-Strom-Lobbyist und ... Querulant) Alfred Taake gerade den Teerhof. Vier oder fünf Parkplätze auf dem unbebauten Teil der Weserhalbinsel hat er mit seiner Pflanzaktion schon entwidmet. Beinahe täglich werden es mehr. Und – psst – die Grünen finden das gut.

Wenn er mal schweigt, sagt's Taake also durch die Blume. Wenn er redet, und das tut er gern, fährt der Mann schwerere Geschütze auf. „Die Bremer Tourismusförderer haben keine Ahnung“, sagt er. „Die Bremser sitzen im Wirtschaftsressort – ja, das können Sie ruhig schreiben“, meint er. Und ein Machtkampf ist auch im Gange – zwischen ihm und der Bremer Bootsbauwerft Vegesack (BBV), die auf dem Teerhof die „gläserne Werft“ betreibt, sowie einem beträchtlichen Teil vom Rest der Welt.

Dabei wäre ohne Taake vieles anders. Ohne ihn hätte Thomas Deecke, der Direktor des Neuen Museums Weserburg, einen Kritiker weniger. Und ohne ihn hätten die zurzeit noch wenigen Teerhof-Spaziergänger nicht den Genuss, den Taake der Welt mit seiner Aktion bescheren will: freie Sicht auf die Martini-Kirche, die Schlachte, auf die „gläserne Bootswerft“ und auf die Neustadt! „Dieses Stück Teerhof muss autofrei sein“, spricht's. Und so sehen es die Grünen auch: „Als Parkplatz mit Aussicht ist das Sahnegrundstück im Herzen der Stadt viel zu schade“, meint die Baupolitikerin Karin Krusche. Und lobt Taake. Und bezeichnet ihn glatt als Hobby-Gärtner.

Dabei hat Taake nun wirklich mehr im Kopf. Seit 25 Jahren geistert da die Idee herum, etwas aus der Stadt am Strom und aus der Hanse und aus der Pirateriegeschichte und aus der Industrialisierung und aus wer-weiß-was-noch zu machen. Und weil er sich schon so lange damit beschäftigt und „alle Bremser beim Namen“ kennt, sprudeln permanent Jubiläen, Jahrestage und Geburtstage aus ihm heraus. Zum Beispiel das 175. Gründungsjahr Bremerhavens im nächsten Jahr. Die „längste maritime Meile Deutschlands“ von Bremen bis nach Bremerhaven will er aus diesem Anlass inszenieren, genau so, wie er den Nachbau der Hanse-Kogge und die „gläserne Werft“ inszeniert hat. Oder haben will. Oder was auch immer. Und groß vermarkten will er die Meile auch. Und mit drei Ausstellungen „Bremen und die Welt der Hanse“, „Weser-Landschafts- und Gartenschau“ und „Bremen – von der Hanse zur Industrie“ bestücken.

Oder waren es vier Ausstellungen? Egal. Denn schon sprudelt es weiter aus seinem Mund. Nämlich: Den Speicher XI will er Klaus Hübotter wieder abkaufen – zumindest die Hälfte. „Hundert Mark zahle ich, Hübotter hat nur eine Mark gezahlt.“ Und dort will er dann einige seiner ABM-Kräfte einsetzen. Noch hat er keine, aber er fordert 200. Man muss eben groß denken heutzutage. Und was sollen die alle machen? „Das ist noch geheime Kommandosache.“

Nun gut. Einstweilen schreitet Taake selbst zur Tat. Weil die ABM-Kräfte zwar einerseits heiß begehrt sind, aber andererseits schon mittags ihre Stifte oder Hämmer fallen lassen. Eine Bremer Speckflagge aus Geranien hat Taake auf dem Teerhof zwischen Parkplatz und Versicherungsgebäude gepflanzt. Das ist die erste von 100 Informationstafeln und -einheiten, die er auf dem Gelände platzieren will. Am Ende sollen die BesucherInnen alles wissen über Flaggen, die Hanse, die Geschichte Bremens und der Weser.

Einen ersten klitzekleinen Schritt hat Herr Taake mit seinen Geranien gemacht. Also gehen Sie mal rüber. Vielleicht treffen Sie ihn ja. Und wenn nicht, genießen Sie den Blick. Der ist wirklich einmalig.

Christoph Köster