Kurz-Mahlzeit im Sand

■ Das Junge Theater zeigt Aki Kaurismäkis „I hired a Contract Killer“ als melancholisch-groteske Bühnenminiatur

Für die meisten Betroffenen reicht selbst ein 30-jähriges Angestelltenleben nicht aus, um herausfinden, ab wann man Mahlzeit sagt. Ist es nun gleich nach dem Frühstück (9.18 Uhr) oder erst eine halbe Stunde vor Mittag (11.30 Uhr)? Henri Boulanger wäre eigentlich der geeignete Kandidat, dieses Geheimnis zu lüften. Denn außer seiner Angestelltentätigkeit und einer geradezu leidenschaftlichen Topfblumenpflege gibt es in Boulangers Leben nichts Erwähnenswertes. „Mahlzeit“, „Mahlzeit“ und nochmals „Mahlzeit“ sind die ersten und für eine ganze Weile einzigen Worte, die Boulanger im neuen Sommerstück des Jungen Theaters „I hired a Contract Killer“ mit seinen Mitmenschen wechselt. Doch dann verliert er seinen Job, und das melancholisch-groteske Drama beginnt.

Auf einer geradezu riesigen Sandfläche hat Anke Thiessen die Bühnenversion von Aki Kaurismäkis gleichnamigem Film eingerichtet. Wie im Film will sich Boulanger auch im Theater nach der Entlassung umbringen. Nachdem Selbstmordversuche gescheitert sind, heuert er einen Killer an. Doch gleich danach verliebt er sich und versucht, den Auftrag zurückzuziehen. Die ursprünglich auf einem Text von Jules Verne basierende Geschichte wird neuerdings durchaus öfter gespielt. Erst im vergangenen Winter war sie im Altonaer Theater in Hamburg zu sehen, und vor vier Jahren blies Andreas Kriegenburg sie in Hannover zu einer vierstündigen und hervorragenden Inszenierung auf. Das Junge Theater ist da viel bescheidener. In nur einer Stunde ist das Ganze vorbei.

Mit kleinen Strichen komponiert Anke Thiessen Stimmungen in die Halle am Güterbahnhof. Das „Mahlzeit“-Sagen und absurde Rituale der fünf AkteurInnen bringen Boulangers trostloses Leben ironisch auf den Punkt. Und für den Hauptteil danach bedient sich die Regisseurin liebevoll eingesetzter Requisiten und einer Konstruktion, die schon Hamburg half, aus Film Theater zu machen: Ralf Knapp gibt hier den Erzähler, der als mitspielende, kommentierende und Bilder-bauende Mephisto-Figur in das dialogarm bleibende Geschehen eingreift und es vorantreibt.

Zu Andrea Liebezeits live gesungenen Blues-Stücken spielt sich eine Komödie ab, deren Tempo und Lautstärke bis auf ein paar schrille Overactings von Anja Wedig gedämpft bleiben. So behält diese Theaterstunde mit amüsanten Regieeinfällen und sogar einer rasanten Verfolgungsjagd im Sand ihre wehmütige, liebenswert-komische Atmosphäre. Für die film-technischen Mittel Schnitt und Schauplatzwechsel hat Anke Thiessen also guten Ersatz gefunden. Doch für eine wirklich eigene und abendfüllende Fassung mit auch längere Szenen tragenden Figuren hat es nicht gereicht. So macht der Bremer „Contract Killer“ zwar Appetit aber nicht satt. Christoph Köster

Weitere Aufführungen: 15. bis 19., 21. bis 25. August sowie im September jeweils um 20.30 Uhr im Jungen Theater, Güterbahnhof; im Anschluss an die Aufführungen gegen 22 Uhr „Beach Party“. Karten unter Tel.: 0421/700 141.