Unterwegs in die Gesellschaft

Die Schweizer „Weltwoche“ kränkelt. Mit Roger Köppel soll sie wieder auf die Beine kommen. Der kommt vom „Magazin“ und hegt ehrgeizige Pläne: „Das Blatt wird nicht wieder zu erkennen sein“

von KARIN WENGER

Wäre die Schweizer Wochenzeitung Weltwoche ein Mensch, würde sie mit Dauergrippe im Bett liegen. Das renommierte Blatt hat vor allem zwei Konstanten: sinkende Leserzahlen und steigende Defizite. Jedes Jahr macht die Weltwoche zwischen 6 und 8 Millionen Franken Miese. Seit Mitte der 90er-Jahre ging die Auflage von 107.000 auf 84.200 zurück. Analysen und Hintergrundberichte findet der Leser eben heutzutage auch in der Tagespresse, lauwarme Halbaktualität ist bei den Wochenblättern verpönt und der Meinungsjournalismus der Weltwoche auch nicht mehr so gefragt wie früher.

Doch damit soll nun Schluss sein. Das neue Zugpferd heißt Roger Köppel. In vier Jahren brachte er Das Magazin, die Wochenbeilage des Tages-Anzeigers auf Vordermann. Nun soll er die Weltwoche wieder zur Souffleuse des intelligenten Tischgesprächs machen. Eine Herausforderung im kleinen Schweizermarkt, der mit der Sonntagszeitung der Neuen Zürcher Zeitung ab 2002 noch um ein Stück enger wird. Von solcher Konkurrenz zeigt sich der 36-jährige Köppel aber wenig beeindruckt: „Ich schaue nicht allzu sehr auf die Konkurrenz. Was zählt, ist ein guter journalistischer Instinkt.“ Weltwoche-Herausgeber Matthias Hagemann sieht das aus seiner Position heraus natürlich anders: „Nicht zuletzt das Projekt der NZZ am Sonntag hat uns bewogen, den Chefredakteur auszuwechseln.“ Ende August muss Fredy Gsteiger nach fünf Jahren in der Chefetage seinen Sessel räumen. Das Urteil: zu schwach, zu wenig dynamisch.

Das Prozedere erinnert an eine große deutsche Wochenzeitung, die auch an Auflagenschwund und steigenden Verlusten laboriert: Bei der Zeit traf es Roger de Weck – ebenfalls ein Schweizer und ehemaliger Tages-Anzeiger-Chefredakteur, der im Herbst 2000 in aller Öffentlichkeit demontiert wurde.

Akuter Handlungsbedarf bestand auch bei der Weltwoche schon Ende letzten Jahres. Um das Blatt auf Schlingerkurs zu retten, äußerte Hagemann Verkaufsabsichten. Die drei großen Schweizer Verlagshäuser Ringier, Tamedia und NZZ zeigten zwar Interesse, es blieb jedoch beim oberflächlichen Flirt: Die NZZ entschloss sich schlussendlich für eine eigene Sonntagszeitung, Tamedia hat ihren Wochenmarkt mit Magazin und Sonntagszeitung bereits abgedeckt und zum Ringier Verlag will die intellektuelle Weltwoche nicht so recht passen.

Wenn sich also der Verlag nicht ändert, wechselt eben der Chefredakteur. Und was wird er ändern? „Das Blatt wird nicht wieder zu erkennen sein“, meint Köppel bescheiden. Wird die Weltwoche in Zukunft also Richtung Magazin wandern? Manche in der Redaktion befürchten dies. Und auch wenn sich Köppel über formale Zäsuren ausschweigt, deuten die geplanten inhaltlichen Veränderungen in diese Richtung: „Wir wollen die politische Debatte im Land bestimmen. Gleichzeitig sollen alle interessanten gesellschaftlich-lebensweltlichen Fragen auf journalistischem Top-Niveau behandelt werden.“ Bei allen Änderungen: „Den Qualitätskern der Weltwoche werde ich nicht antasten.“ Köppel will den „Geist der radikalen Aufklärung“ ins Blatt bringen und ihm so seinen Glanz zurückgeben. Einen Geist, der in letzter Zeit von Meinungsjournalismus und Leitartikeln verdrängt worden war und dem Blatt sowohl Leser als auch gute Journalisten gekostet hat.

Am Dienstag hatte Köppel für die Redaktion schon die erste Überraschung parat: Er präsentierte den ehemaligen stellvertretenden NZZ-Chefredakteur Kenneth Angst, mit dem er in einem „partnerschaftlichen Konkordanzmodell“ die Weltwoche führen will.

Köppel setzte sich ein Limit von drei Jahren, um das Blattaus den roten Zahlen herauszumanövrieren. „Mit der Produktveränderung werden auch die Inserenten wieder kommen“, meint er zuversichtlich.

Der Erfolg der Weltwoche hängt an einem dünnen Faden – und den hält ab Ende August der neue Chefredakteur.