Heute wird gesammelt für Restjugoslawien

Konferenz der Geldgeber tagt in Brüssel. Sofortbedarf: 1,25 Milliarden Dollar. USA sind mit dabei, zahlen aber nur bei Milošević-Auslieferung

BRÜSSEL taz ■ Wenn sich die potenziellen Geldgeber für Restjugoslawien heute in Brüssel zusammensetzen, liegen viele Zahlen bereits auf dem Tisch. 3,9 Milliarden Dollar werden in den kommenden vier Jahren gebraucht, wenn Wirtschaft, Sozialsystem und Infrastruktur dort auf die Beine kommen sollen. Im ersten Jahr sind davon bereits 1,25 Milliarden als Starthilfe fällig. Das hat Rory O’Sullivan, der in der Weltbank für Südosteuropa zuständig ist, schon Mitte der Woche vorgerechnet.

Spannend wird es heute trotzdem. Die Konferenz funktioniert nach dem so genannten Pledging-System. O’Sullivan, Bodo Hombach und andere Kenner der Region stellen geplante Projekte vor und rechnen die nötigen Beträge aus. Dann werfen die Teilnehmerstaaten Summen in den Hut, die ihnen angemessen erscheinen. Nur die EU hat schon im Vorfeld Zahlen genannt: 220 Millionen Dollar sind im Haushalt reserviert. Weitere 300 Millionen sollen demnächst bewilligt werden.

Die USA haben zwar Mittwochabend bestätigt, dass sie an demTreffen teilnehmen werden. Finanziell wollen sie sich aber nur beteiligen, wenn Slobodan Milošević die Reise nach Den Haag wirklich antritt. Stabilitätspakt-Koordinator Bodo Hombach, der am Mittwoch in Brüssel zwischen Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Restjugoslawien ein Handelsabkommen und ein Programm für heimkehrende Flüchtlinge vermitteln konnte, sandte beruhigende Signale Richtung Washington: Er sei fest überzeugt, das Treffen werde trotz der aufgeschobenen Auslieferung von Milošević ein Erfolg. „Unabhängig von der Geberkonferenz will ich ganz grundsätzlich sagen, dass ich den politisch Verantwortlichen in Jugoslawien voll vertraue. Diese Menschen haben auf den Todeslisten von Milošević gestanden – es ist absurd zu glauben, gerade sie könnten jetzt mit ihm konspirieren. Sie müssen aber ihr Volk mitnehmen auf die Reise in eine neue Zeit.“

Auch für Vojislav Koštunica, dem unterstellt wird, er stehe innerlich nicht hinter dem Auslieferungsgesuch des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, verbürgte sich Hombach gestern: „Koštunica ist der erste Politiker, den ich kennen gelernt habe, der das jugoslawische Grundgesetz buchstäblich unter dem Arm trägt.“

Stabilitätspakt-Koordinator Hombach verfolgt abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit seine Politik der runden Tische unbeirrt weiter. Kritiker werfen ihm vor, seine Zeit hauptsächlich mit Palavern zu verbringen. Unbestritten ist aber, dass er sich mit seiner Art des Palaverns auf dem Balkan Respekt verschafft und nach dem Motto handelt: Während geredet wird, wird nicht geschossen. Sollte das am Mittwoch von den drei ehemaligen Kriegsparteien Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Restjugoslawien unterzeichnete Rückkehrprogramm für Flüchtlinge tatsächlich umgesetzt werden, könnten die meisten der immer noch 1,2 Millionen Vertriebenen in den nächsten zwei Jahren in ihre Heimat zurückkehren.

Es sei wichtig, bei der heutigen Geberkonferenz für Restjugoslawien die übrigen Länder nicht aus den Augen zu verlieren. Am 25. und 26. Oktober werde in Bukarest eine ähnliche Konferenz für die anderen Länder der Region stattfinden Es sei wichtig, das schon heute zu betonen, „damit nicht neuer Neid entsteht“. Mit der Mentalität auf dem Balkan kennt der Stabilitätspakt-Koordinator sich inzwischen aus. DANIELA WEINGÄRTNER