Neue Währung für Berlin

Der US-Amerikaner J. S. G. Boggs bringt eine Milliarde „Boggs Euro“ in den Berliner Finanzumlauf.Der Senat unterstützt ihn bei dieser Transaktion, nur die Polizei gab sich bei der Vorstellung skeptisch

von KIRSTEN KÜPPERS

Berlin hat eine neue Währung: den „Boggs Euro“. Seit Donnerstag ist das Geld im Umlauf. Frisch von der Druckerei wurden die Scheine am Abend zum ersten Mal in der „Prater“-Gaststätte in Prenzlauer Berg ausgegeben. Bezahlt wurden damit mehrere Teller Beelitzer Spargel mit Semmelbröseln, Wiener Schnitzel sowie neue Kartoffeln.

Eine erwartungsvolle Tischgesellschaft und viele Journalisten hatten sich eingefunden, um der Einführung des neuen Zahlungsmittels beizuwohnen. Mit einem Hartschalenkoffer mit einer Milliarde Boggs Euro war der angekündigte Geldbote in den frühen Abendstunden in der Gaststätte eingetroffen. Diese Summe wird derzeit in den Berliner Geldverkehr überführt. Die Rechtmäßigkeit des Verfahrens überwacht Rechtsanwalt Norbert Bierbach. Der Grund: „Wir bewegen uns in einem Grenzbereich.“ Doch Bierbach glaubt fest an das Gelingen der Unternehmung. Beistand erhält das neue Geld sogar vom Berliner Senat. „Wir würden es sehr begrüßen, wenn das Projekt und dessen Realisierung Unterstützung finden würden“, schrieb Hans-Martin Hinz, Staatssekretär der Kulturverwaltung.

Bei so viel offizieller Mithilfe dürfte sich das ungewohnte Zahlungsmittel schnell bei den Verbrauchern durchsetzen. Daran glaubt auch der Erfinder. Der 46-jährige US-Amerikaner gilt Kritikern zwar als Geldfälscher. In Wirklichkeit handelt es sich bei der Transaktion jedoch um eine ernsthafte künstlerische Unternehmung, wie Boggs betont. Und der internationale Erfolg gibt ihm durchaus Recht. J. S. G. Boggs bezahlt schon seit Jahren mit eigener Währung.

Seine Banknoten druckt er selbst. Dazu erstellt er Kopien von Geldscheinen, die sich nur in feinen Spuren von bestehenden Währungen unterscheiden. Ob er bei einem Geschäftsabschluss nun Falschgeld oder wertvolle Kunst aushändigt, bleibt ganz dem Betrachter überlassen.

Diverse mittelständische Unternehmen haben sich bereits bereit erklärt, den Handel mit Boggs Euro zu akzeptieren. Allein in Prenzlauer Berg haben ein Frisiersalon, eine Weinhandlung und ein Taxifahrer Waren und Dienstleistungen zugesagt. Und ihr Einsatz dürfte sich lohnen. Denn die Werke des international renommierten Künstlers werden unter Sammlern schon lange weit über dem Nennwert des einzelnen Geldscheins gehandelt. Ein eigens aus Ratzeburg angereister Kunstsammler berichtete am Donnerstag etwa von einer spektakulären Boggs’schen Geldtransaktion, die in den USA mehr als 126.000 Dollar eingebracht habe.

Zu einem fertigen Boggs-Kunstwerk gehört jedoch nicht nur die spezielle Banknote. Erst die Einkaufsquittung und das Wechselgeld machen die Arbeit für den Kunstliebhaber komplett. Der Intention des Künstlers, über Geldkreisläufe nachzudenken, wird damit stattgegeben. Um die einzelnen Schritte des Kaufprozesses vollständig nachzuvollziehen, müssen Interessenten auch die Boggs’schen Ausstellungen besuchen.

Interesse weckte das neue Geld am Donnerstagabend auch bei der Polizei. Kurzzeitig inspizierten Beamte unruhig das Gaststättengelände – auf der Suche nach einem Koffer voll Falschgeld. Wenig später waren sie verschwunden. J. S. G. Boggs schlenderte zur „Haifischbar“. Dort bezahlte er ein pinkfarbenes Getränk mit 100 Boggs Euro. Das Wechselgeld räumte er ordentlich in den Geldkoffer. In den nächsten Tagen will Boggs shoppen gehen: einen Gebrauchtwagen, elegante Kleidung und einen modernen Haarschnitt.