Fliegen auf Rädern

Kein regulärer Betrieb, aber auch kein Chaos. Wegen des Pilotenstreiks hoben gestern nur 13 von 38 Lufthansa-Maschinen ab. Fluggäste wurden auf die Bahn verwiesen. Nächste Woche erneut Streik?

von TILMAN STEFFEN
und DIRK HEMPEL

Der Himmel über Berlin blieb leer, das Chaos blieb aus. Auf dem Flughafen Tegel sah es gestern trotz eines halbtägigen Streiks der Lufthansa-Piloten kaum anders aus als sonst. Selbst an den Schaltern der Airline mit dem Kranich bildeten sich nur kurze Schlangen. Der größte Teil der Passagiere nutzte auf Anraten der Lufthansa die Bahn.

Für einige allerdings war der Abflugort Tegel bereits Endstation ihrer Reise. Zum Beispiel für Michael Kranhold, Unternehmensentwickler beim ostdeutschen Stromkonzern Veag. Er opfert regelmäßig seine Wochenenden für ein Managementstudium in Koblenz. Starten wollte er morgens, die Lufthansa vertröstete ihn auf 13.15 Uhr. Aber Kranhold hatte Pech: Die Passagierin vor ihm bekam den letzten Platz. Nun beginnt der heutige Kurs ohne ihn.

Besonders Verbindungen zum Rhein-Main-Flughafen waren gefragt – wegen der dort abgehenden Anschlussflüge. Dorthin richtete die Airline deshalb zwei Sonderflüge ein – geflogen von Piloten aus der Führungsetage des Unternehmens. Zu wenig: Peter Thiele wollte mittags via Frankfurt nach Lissabon. Das gehe erst abends über Amsterdam, beschied man ihn am Flugschalter. Voraussichtliche Ankunft am Zielort: kurz vor Mitternacht, zwölf Stunden nach dem geplanten Abflug.

Andere Möglichkeit für die Flugwilligen: der Gang zum Bahnhof. Die Deutsche Bahn akzeptierte Lufthansa-Tickets als Fahrkarten, der Betrieb am Bahnhof Zoo sei am Vormittag überdurchschnittlich hoch gewesen, so Bahn-Sprecher Andreas Fuhrmann. Zehn Fernreisezüge habe man in Reserve gehalten, die Kapazität der regulären Fernverbindungen habe jedoch ausgereicht. Nur 13 von 38 Lufthansa-Fliegern sind nach Angaben von Unternehmenssprecher Wolfgang Weber gestartet, etwa 2.000 Passagiere konnten trotz Ticket nicht oder nur verspätet abheben.

Die etwa 4.200 Mitglieder zählende Pilotenvereinigung Cockpit wollte mit dem gestrigen Ausstand ihre Forderung nach etwa 30 Prozent mehr Gehalt unterstreichen. Die Lufthansa hat bisher nur 10 bis 16,7 Prozent angeboten. Erst wenn die Airline ein verhandelbares Angebot vorlege, so Cockpit-Sprecher Georg Fongern, werde es keine neuen Arbeitsniederlegungen geben. Andernfalls will Cockpit künftig jeden Donnerstag keinen einzigen Abflug mehr machen.

Manche sehen die Streikaktionen locker. Joseph Mahama, der in der Flughafenbar „Flyer“ die Tische abräumt, hatte zwar einen stressigen Vormittag: „Aber mein Chef freut sich schon.“