Rettung vor dem Kahlschlag

Holzkonzerne, Regierung und Umweltschützer einigen sich auf Schutz für Regenwald an Kanadas Westküste. Jahrelange Boykottkampagnen waren erfolgreich: Die Konzerne fürchten Umsatzeinbußen und lassen Bäume und Bären in Ruhe

BERLIN taz ■ Die letzten Reste des kanadischen Regenwalds sind vorerst vor der Säge gerettet. Eine jahrelange und internationale Kampagne von Umweltschützern und Ureinwohnern hat mit einer Mischung aus Protest und Boykott die Holzkonzerne zum Einlenken gezwungen. In einem Kompromiss, der gestern offiziell von der kanadischen Botschaft in Deutschland bestätigt wurde, garantieren die Holzkonzerne West Frasier und Interfor, 20 unberührte Täler im Westen Kanadas mit der Größe von 600.000 Hektar zu verschonen. In weiteren 68 Tälern soll auf 530.000 Hektar der Holzeinschlag für ein bis zwei Jahre unterbrochen werden. Wissenschaftler sollen klären, ob auch diese Gebiete unter Schutz gestellt werden. Noch streiten die Konzerne und die Regierung der Provinz British Columbia über Entschädigungszahlungen: Der Staat will 6,4 Millionen US-Dollar zahlen, die Konzerne verlangen etwa das Dreifache.

Der „Great Bear“-Regenwald liegt an der kanadischen Westküste südlich von Alaska. Das Gebiet, etwa so groß wie Hessen, ist der letzte große Regenwald in gemäßigten Breiten. Es ist für seinen Bestand an sehr alten Bäumen und als Lebensraum für Bären, Adler, Wölfe und Lachse berühmt. Dort hatte die Regierung von British Columbia Holzkonzessionen vergeben. Diese Kahlschläge waren letztes Jahr von fast allen Holzfirmen ausgesetzt worden. Nur noch West Frasier und Interfor wollten weiter schlagen. Überzeugt hat die Firmen nicht ihr ökologisches Gewissen, sondern eine kühle Kalkulation: Der Verlust der Märkte wiege schwerer als der Vorteil des Holzeinschlags in diesem Gebiet, hieß es. Über Jahre haben Umweltschützer, die in der „Coastal Forest Conservation“-Initiative zusammengeschlossen sind, die Holzkonzerne unter Druck gesetzt. Zum Beginn der Aktionen ließen sich die Umweltschützer wie etwa Greenpeace-Chef Thilo Bode medienwirksam bei Protesten festnehmen. Später reisten sie mit Ureinwohnern durch 14 Abnehmerländer wie die USA, Japan, Deutschland, Belgien und Frankreich und warben für einen Boykott bei den Zeitungsverlagen und Papierverarbeitern. Die ließen sich überzeugen: „Was wir dort gesehen haben, hat uns bestärkt, mit Greenpeace auf eine ökologisch akzeptable Forstwirtschaft hinzuwirken“, sagt Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ). Die deutschen Verlage seien „bedeutende Abnehmer“ für kanadischen Zellstoff und würden „auf die Umsetzung der Vereinbarungen drängen“.

„Die Kampagne hat sehr gut funktioniert, aber das Ergebnis ist nur ein erster Schritt“, sagt Thomas Henningsen von Greenpeace. Jetzt komme es darauf an, dass die Konzerne zu ihrem Wort stünden. Dann könne der Great-Bear-Wald ein Modellprojekt werden: einmalige Flächen unter Schutz stellen, das Gebiet außen herum schonend zu behandeln. Denn außerhalb der jetzt zugesagten 86 Täler gingen die Kahlschläge weiter. „Auf drei Vierteln des Waldgebiets werden also weiter viel zu viele Bäume geschlagen.“ BERNHARD PÖTTER