Sturm als Lüftchen

■ Riesenbeifall, braves Stück: Die Leday Keli Company zeigt am Leibnizplatz das Tanzstück „Der Stoff, aus dem Träume sind“

Es ist vielleicht der schönste und nachdenklichste Satz William Shakespeares. Er stammt – ohne Gewähr – aus dem märchenhaft-verschlüsselten Alterswerk „Der Sturm“ und lautet: „Unser kleines Leben ist nichts als ein Moment – umringt von Schlaf.“

Aus dem Schlaf, aus dem Nichts kommt eine Frau in winterlicher Alltagskluft durch den Zuschauerraum auf die Bühne der Bremer Shakespeare Company. Drei Männer folgen ihr und verschwinden hinter Prospekten. Von der anderen Seite erscheint eine Tänzerin, spreizt sich, tanzt Kreiseldrehungen, stockt, scheint zu üben. Der Company-Schauspieler Christian Dieterle gesellt sich hinzu, spricht den berühmten Satz vom „Schlaf“ und weitere Sätze von „Wolkenkratzertürmen“ und Spielern, die nichts als Geister sind.

Es ist wiederum Shakespeares „Sturm“ der Boden für Annette Ledays Keli Company und ihr neues Stück „Der Stoff, aus dem die Träume sind“. Wieder trifft „die“ europäische Tanz- und Bewegungssprache auf Elemente des indischen Kathakali-Tanzes, wieder begegnen (zwei) Europäerinnen (drei) Indern. Aber anders als bei der gemeinsam mit der Bremer Shakespeare Company entwickelten „Sturm“-Inszenierung wollte sich Leday in diesem Nachspiel zum „Sturm“ von der Erzählung befreien. Doch wo in diesem Sinne Freiheit ist, kann auch Leere sein.

Zur hervorragenden, aus den Klassiken der Welt bis hin zu Noise-Materialien schöpfenden Musik von Ghédalia Tazartès zelebriert das fünfköpfige TanzerInnen-Ensemble zwei unterschiedliche Bewegungsmuster.

Die Frauen servieren sehr aufrechte, sehr europäische, der Sprache des klassischen Ballett entlehnte Tanzfiguren. Die Männer setzen ihre manchmal statuenhaft ruhigen, manchmal durch rhythmisches und perfekt synchronisiertes Fußstampfen dramatisierten Muster dagegen. Einmal lacht einer laut über die Bewegungen einer der Tänzerinnen, was zugleich komödiantisch und dramatisch wirkt.

Hier schlägt wenigstens mal ein Funke. Dann bildet das Quintett eine Diagonale und tanzt in etwas unbeholfen wirkenden Hebefiguren eine der wenigen Ensembleszenen. Doch ein wirkliches Aufeinandertreffen, eine Konkurrenz der Stile oder gar der Kulturen findet nicht statt. Bloß etüdenhaft und viel zu brav wirkt hier der Stoff, aus dem die Träume sein sollen.

Zum Schluss hüllen sich die TänzerInnen wieder in ihre Alltagskleidung und treten einzeln von der Bühne ab. So beiläufig, wie alles begonnen hat, geht die einstündige Inszenierung mit dieser zweiten Hälfte der sehr schönen choreographischen Klammer wieder zu Ende. Stürmischer Beifall für ein laues Lüftchen. Christoph Köster

Das Stück ist als Beitrag zum Festival „Shakespeare aus Asien“ heute, Samstag, um 19.30 Uhr noch einmal im Theater am Leibnizplatz zu sehen.