Poröser Stein speichert Gas

Im Gas-Wettbewerb wird der Zugang zu den Leitungen und Speichern künftig vieles entscheiden. Vor allem die nutzbaren Speicherkapazitäten spielen eine große Rolle

Rund 60 Kilometer südlich von Bremen befindet sich nahe der Ortschaft Rheden Westeuropas größter Erdgasspeicher. 750 Millionen Mark hat Wingas in das unterirdische Gasdepot investiert. Das Kasseler Ferngasunternehmen verfügt mit diesem natürlichen Bunker an dieser Stelle über eine Speicherkapazität von rund 4,2 Milliarden Kubikmetern Erdgas – gut ein Viertel der in Deutschland vorhandenen Speicherkapazität.

Erdgasspeicher wie der in Rheden sind erforderlich, um einen Ausgleich zwischen Produktions- und Transportkapazität und dem zeitlich stark variierenden Gasbedarf vorzunehmen. Die zu kompensierenden Abweichungen werden saisonal (Sommer/Winter) oder durch kurzfristig auftretende unterschiedliche Abnahmen ausgelöst. „Neben diesen Ausgleichsfunktionen stellen Gasspeicher beim Auftreten technischer Probleme im Produktions- und Transportbereich die Versorgung der Verbraucher sicher“, meint Wingas-Experte Werner Wölfer.

So ein gigantischer Speicher kann nicht überall angelegt werden. Günstige geologische Formationen waren für den Standort Rheden entscheidend. Hier wurde seit 1954 aus drei übereinanderliegenden Lagerstätten Erdgas gefördert. Für die Erschließung des Gasspeichers wurde der Hauptdolomit im Zechstein ausgewählt. Diese Lagerstätte hat optimale geologische Voraussetzungen. Wichtige Grundlagen bildeten die guten Trägereigenschaften, die Struktur und die sichere Abdichtung der Gesteinsformation. Bereits über Jahrmillionen war in Rheden Erdgas im Untergrund quasi von Natur „gebunkert“. Damals stand das Gas unter einem Druck von 280 Bar, dieser Druck wird während des Betriebs des Gasspeichers nicht überschritten.

Bei der Einspeicherung wird das aus den Leitungen ankommende Erdgas verdichtet und über insgesamt 16 Speicherbohrungen in den porösen Untergrund gepresst. Über die Fernleitungen kommt das Gas nach Rheden. Auf Grund der vorliegenden Betriebsbedingungen werden für die Verdichtung des Gases vom Pipelinedruck (60 bis 80 Bar) auf den Speicherdruck bis zu maximal 280 Bar Radialturbokompressoren eingesetzt. „Bis zu einem Druck von 180 bis 200 Bar kommen mit Gasturbinen angetriebene parallel geschaltete Verdichter zum Einsatz“, erklärt Wingas-Experte Wölfer. Für die weitere Druckerhöhung werden mit Elektromotoren angetriebene Verdichter eingesetzt. Das durch die Verdichtung erwärmte Gas wird anschließend gekühlt, danach wird es zu den 16 Bohrlöchern geführt und in den Erdspeicher gepresst.

Ausgespeichert wird das eingebunkerte Erdgas über dieselben Bohrungen, anschließend wird es über das 1.600 Kilometer lange Pipelinenetz der Wingas eingespeist. Durchschnittlich können so pro Stunde den Wingas-Kunden 2,4 Millionen Kubikmeter Gas zur Verfügung gestellt werden. „Das ist ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen deutschen Sporenspeichern“, erklärt Wingas-Mitarbeiter Wölfer.

Doch ganz so einfach ist das Zutagefördern des Gases auch wiederum nicht. Zunächst wird das Gas „getrocknet“. Während der Ausspeicherung fällt Wasser an, das vom Erdgas in der Lagerstätte aufgenommen wurde und das zu Korrosion und Verstopfungen in den Fördereinrichtungen und den nachgeschalteten Leitungssystemen führen kann. Gastrocknungsanlagen reduzieren deshalb den Wassergehalt. Der frei werdende Wasserdampf wird in einem Kühler kondensiert und in den Randbereich ausgeförderter Ölfelder entsorgt. Sämtliche Daten für die Steuerung der Anlage sind mit einem zentralen Rechner in der Wingas-Zentrale in Kassel verbunden.

Klar ist: Die 750-Millionen-Investition in Rheden will Wingas nicht gerne mit Konkurrenten teilen. „Wir öffnen unser Netz und unsere Speicher für andere Anbieter, solange es unsere Kapazitäten zulassen“, meint Wingas-Sprecher Klaus Karl Kaster. Und das ist genau der Knackpunkt bei der Liberalisierung des Gasmarktes: Wie sieht der Anteil aus, den zum Beispiel Wingas bei voller Kapazitätsauslastung einem Konkurrenten wie Enron Energie zur Verfügung stellen muss? Schließlich ist die Möglichkeit der Nutzung der Saisonspeicher für einen freien Gasmarkt und einen liquiden Gashandel unerlässlich. Die Gaspeicher stellen neben den Leitungen den Schlüssel auch für zunehmende Spotgeschäfte dar. Ohne fairen Zugang zu den Speichern geht dem Gasmarkt sehr schnell die vermeintlich liberale Luft aus. Ein Problem, das bisher noch nicht gelöst worden ist.

MICHAEL FRANKEN