Liebeslied für einen Nasenring

■ Trunkene Liebesbeschwörungen: Die in Kanada lebende Inderin Kiran Ahluwalia verzauberte bei den Women in (E)motion

So leicht und schwebend und dabei so warm war selten eine Stimme bei den Women in (E)motion zu hören, wie die der indo-kanadischen Sängerin Kiran Ahluwalia. Und so mehrdeutig wie viele der poetischen Bilder in den Ghazals, die sie vortrug, so schillernd wirkte auch ihr Gesang. Auf erstaunliche Weise verbanden sich Melancholie und Fröhlichkeit in den Gesangslinien der hellen Stimme. Das entsprach so ganz den Liedtexten, die die Sängerin auf Urdu vortrug und jeweils kurz in englisch erläuterte.

Sie handelten von der Sehnsucht nach der/dem Geliebten, der Enttäuschung über gebrochene Versprechungen, aber auch der Lust am Rausch, sei es durch Wein oder den Anblick der Geliebten. Unter den Ghazals, den poetischen Liebesliedern, deren Ursprung im persischen Sufismus liegt, fand sich auch ein Lied, das dem letzten muslimischen Herrscher Indiens zugeschrieben wird. Darin bittet der in britischer Gefangenschaft dem Tode nahe Herrscher um Nachricht von der Geliebten, eine allegorische Umschreibung seiner Heimat, bevor er seinen Atem aushaucht.

Neben verschiedenen Ghazals gehören auch Volkslieder aus dem Punjab zum Repertoire Ahluwalias. Die klangen nicht nur ausgelassener, ihre Themen waren auch etwas prosaischer. Eines erzählte von einer selbstbewussten, indischen Dorfschönheit und ihrer Begründung, warum ihr Verehrer ihr unbedingt einen Nasenring kaufen solle. Während ihres Gesangs begleitete sich Ahluwalia auf der Bordunlaute Tambura mit ihren flirrenden Klängen und unterstrich die melodischen und rhythmischen Wendungen der Musik mit den für indische MusikerInnen so typischen Hand- und Kopfbewegungen, ließ die schönen dunklen Augen wandern und dirigierte so ganz nebenbei ihre Begleiter. Das waren der beeindruckende Tabla-Spieler Ravi Naimpally, dessen Fingerfertigkeit zuzuschauen ein eigenes Abenteuer ist, der Harmoniumspieler Raya Bidaye, sein Kastenharmonium klang ein wenig wie ein Akkordeon, und der Gitarrist Joy Anandasivam, der nicht nur ständig verzückt strahlte, sondern mit dem Klang seiner untypischen E-Gitarre auch für ungewöhnliche Akzente sorgte. Manchmal erinnerte sein Spiel an spanische Romanzen.

Die vier MusikerInnen trugen traditionelle Kleidung und saßen, wie es sich für indische Musiker ziemt, im Schneidersitz auf der leicht erhöhten Bühne. Ständig im Blickkontakt miteinander flochten sie kleine Improvisationen in den festgelegten, tradierten Rahmen der Ghazals. So entfalteten Kiran Ahluwalia und ihre Begleiter eine verzaubend warme und intensive Stimmung, boten eine wunderschöne Musik, die von den zahlreichen ZuhörerInnen begeistert gefeiert wurde. Arnaud