Kein Flug ohne Sarg

■ Der Bremer Filmemacher Ayhan Salar hat einen Dokumentarfilm über das Sterben von TürkInnen in der Ferne gemacht. Heute ist „In fremder Erde“ im Kino 46 zu sehen

„Bei fast jedem Flug der Turkish Airlines ist ein Sarg dabei“, sagt Mektube Tasci und meint das nicht symbolisch. Tasci besitzt ein islamisches Bestattungsinstitut in Hamburg und ist zugleich Hauptfigur in dem Dokumentarfilm „In fremder Erde“ des Bremer Filmemachers Ayhan Salar.

Es ist ein sehr ruhiger Film mit vielen Beerdigungen, nüchtern und ohne Schnörkel. Im Mittelpunkt die faszinierende Mektube Tasci. Eine furchtbar geschäftige Frau mit geblümeltem Kopftuch, Brille und grauem Mantel. Eine richtige Arbeitsbiene. Sie ist 29 Jahre alt, wirkt aber durch ihre gebückte Haltung wie 39. Sie wäscht Leichen, wuchtet Särge und schraubt Sargdeckel zu, macht sie bereit zum Abflug.

Nebenbei erzählt die Bestatterin, dass über 95 Prozent der älteren Türken, die in den siebziger Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind, zum Begräbnis in die Heimat überführt werden wollen. „Sie haben ihre Kindheit dort verbracht, dort hängt das Herz.“ Tasci beschreibt, wie der flugzeuggerechte Zinkeinsatz für Särge auszusehen hat, berichtet von Gängen zum Konsulat und zu der Gesundheitsbehörde.

Sterben in der Fremde ist für die meisten älteren Migranten ein großes Problem. Sei es, weil die traditionelle islamische Bestattung im Leintuch im Widerspruch steht zur deutsch-gründlichen Sargpflicht. Sei es, weil die Überführung in die Heimat oft sogar billiger ist als ein Begräbnis auf einem deutschen Friedhof. Sei es, weil sich die Migranten ihr ganzes Leben lang in Deutschland nie zu Hause gefühlt haben.

Einige Hamburger Friedhöfe machen inzwischen Zugeständnisse an ihre muslimischen Mitbürger, erlauben vereinzelt sogar die Bestattung im Leintuch. Mektube Tasci prognostiziert auch, dass der Wunsch nach Überführung in die Heimat mit der Zahl der Arbeitermigranten von damals langsam aussterben wird. Die zweite Generation, die in Deutschland geboren ist, habe nur wenige sentimentale Beziehungen zum türkischen Mutterland. „Die fahren vielleicht einmal zum Urlaubmachen dahin.“

Der 60-Minuten-Streifen „In fremder Erde“ des Bremer Filmemachers Ayhan Salar ist im letzten Jahr entstanden und wurde unter anderem durch Mittel des Filmbüros Bremen und der Bremischen Landesmedienanstalt ermöglicht. 132.000 Mark hat die Dokumentation zum Thema Tod in der Fremde gekostet, dabei hat Ayhan Salar sein eigenes Honorar und das seines Freundes und Mitproduzenten Orhan Simsek nicht einbezogen.

Der Film, der weder wertet noch lamentiert, sondern einfach nur dokumentiert, feierte im November in Hamburg Premiere. Heute Abend können sich aber auch interessierte BremerInnen mit dem Thema auseinander setzen und gleichzeitig so einiges über islamische Bestattungsriten erfahren. spo

Die Bremen-Premiere von „In fremder Erde“ läuft heute Abend um 20.30 Uhr im Waller Kino 46