Langer Marsch für Autonomie

Mexikos Zapatistenguerilla will unbewaffnet vom Dschungel in die Hauptstadt marschieren, um den Kongress zu einer Verabschiedung indigener Autonomierechte zu drängen. Das ist ganz im Sinne des neuen Präsidenten Vicente Fox

aus Mexiko-StadtANNE HUFFSCHMID

Paradoxes Mexiko: Am Sonntag machen sich die Anführer der Zapatistenguerilla EZLN auf eine zweieinhalbwöchige Tour durch das Land, um für eine von Präsident Vicente Fox vorgelegte Gesetzesinitiative zu werben. Die 24 Comandantes, darunter vier Frauen, verlassen damit erstmals seit ihrer Erhebung vor sieben Jahren den Bundesstaat Chiapas. Am 11. März wollen sie in Mexiko-Stadt eintreffen.

Hauptziel der Tour ist nicht etwa ein Treffen oder gar Friedensschluss mit Präsident Fox, wie Subcomandante Marcos am Donnerstag klarstellte, sondern Lobbyarbeit im mexikanischen Kongress. Diesem hatte Fox im Dezember ein Gesetz über indigene Autonomierechte vorgelegt. Der Entwurf war schon 1996 von einer Parlamentskommission auf Grundlage der ersten Teilabkommen mit der EZLN erarbeitet worden, wurde jedoch seitdem von Fox’ Vorgänger Ernesto Zedillo blockiert.

Das Gesetz sieht die Verankerung von Selbstbestimmungsrechten in der Verfassung vor, darunter die Bildung autonomer Gemeinderegierungen nach indigenen „Sitten und Gebräuchen“ sowie die Anerkennung kommunitärer Rechtsprechung. Des Weiteren sollen die zehn Millionen mexikanischen Indios stärkere Mitspracherechte auf Landes- und Bundesebene bekommen, die Möglichkeit des Zusammenschlusses zu „autonomen Regionen“, die kollektive Nutzung von Bodenschätzen, die Förderung indigener Sprache und Kulturen sowie das Recht auf selbst verwaltete Medien. Kritiker warfen dem Reformentwurf „Separatismus“ oder gar „Balkanisierung“ vor. Für Befürworter wie den Ethnologen José del Val vom Interamerikanischen Indigenismus-Institut ist die Reform dagegen unverzichtbar. Grundlage aller Ansätze für eine neue Indianerpolitik in der Ära Fox, so del Val, sei „die Konversion der indigenen Völker in vollwertige politische Subjekte“.

Dafür wollen die aufständischen Indigenen bei ihrer „Zapatour“ genannten Reise durch 12 der 31 Bundesstaaten werben. „Wir wollen, dass dieses Land endlich seine Verantwortung übernimmt“, sagt Comandante Tacho. „Wir wollen Respekt.“ Da die hochkarätige Guerilladelegation zwar unbewaffnet, aber maskiert („weil das einfach zum Zapatista-Sein gehört“, so Marcos) durch die Lande reisen wird, ist die subversive Tournee durchaus ein Sicherheitsrisiko. Zwar versprachen sowohl die Fox-Regierung wie auch die meisten Gouverneure der betroffenen Bundesstaaten den reisenden Rebellen „Sicherheitsgarantien“. Das Internationale Rote Kreuz lehnte jedoch die Bitte der EZLN um Begleitschutz wegen „fehlender humanitärer Rechtsgrundlage“ ab. Dahinter vermutet Marcos das Wirken der Regierung und beschuldigte Fox einer „180-Grad-Wende“, die den „gerade erst beginnenden Friedensprozess“ zum Scheitern bringen könne. Doch trotz dieser laut Fox „kleinen Turbulenzen“ setzt der Präsident weiter auf eine Strategie der radikalen Umarmung. „Die große Mehrheit von uns Mexikanern unterstützen den Marsch“, verkündet er, schon „in wenigen Wochen“ werde es zum Friedensvertrag kommen.

Bis heute sind allerdings nicht einmal die Vorbedingungen für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche erfüllt: Bislang wurden nur vier der sieben geforderten Militärstützpunkte von insgesamt 259 in ganz Chiapas geräumt und knapp die Hälfte der einhundert inhaftierten Mitglieder und Sympathisanten der Guerilla freigelassen. Auch das parlamentarische Prozedere um den Beschluss des Autonomiegesetzes, das dritte von der EZLN verlangte „Signal“, wird sich voraussichtlich über Monate hinziehen – nicht zuletzt wegen Vorbehalten aus Fox’ eigener konservativer Partei der Nationalen Aktion (PAN). So hält René Delgado von der rechtsliberalen Zeitung Reforma die Fox'sche Zuversicht auf einen schnellen Frieden eher für einen Propagandatrick oder gar ein softes Ultimatum. Die Regierung wolle Marcos offenbar derart in die Enge drängen, „dass er letztlich seine Kapitulation unterschreibt und keinen Friedensvertrag“.