Industrie bastelt am „grünen“ Handy

Das Handy ist trendy: Die Hersteller kommen mit der Produktion nicht mehr nach. Doch wohin mit dem elektronischen Müll? Einige Firmen haben das Problem erkannt und wollen bald das vollständig recycelbare Funktelefon auf den Markt bringen

Heute bereits haben weltweit über 450 Millionen Menschen ein Mobiltelefon, davon nutzen allein über 285 Millionen Teilnehmer den globalen Standard GSM (Global System for Mobile Communication). Ein stark wachsender Markt, in dem Energieverbrauch und Umweltschutz zunehmend an Bedeutung gewinnen. Bereits im Jahre 2003 werden rund um den Globus eine Milliarde Handys in Gebrauch sein.

Das Einzige, was bisher an diesen winzigen Dingern grün ist, findet sich auf der Verpackung: Versteckt zwischen Strichcode und Preisschild lungert irgendwo der grüne Punkt herum. Der wiederum signalisiert dem Käufer nur, das die PE-Schutzfolie in die gelbe und nicht in die graue Tonne gehört. Den grünen Punkt für das Handy selbst gibt es noch nicht. „Wir hoffen, dass wir unseren Kunden in den nächsten drei Jahren ein grünes Handy anbieten können“, meint Motorola-Deutschland-Chef Norbert Quinkert. Das Gerät soll vor allem keine Schwermetallbestandteile mehr enthalten.

Klar ist: Der Handyboom hat bereits dazu geführt, dass die Elektroschrotthalde in Deutschland wächst. Millionen von Fernsehern, PCs, Videorekordern, Radios und Telefonen hinterließen allein im vergangenen Jahr einen Müllberg von rund 2 Millionen Tonnen Elektronikschrott. Ein brisanter Cocktail aus giftigen, Krebs erregenden und ätzenden Substanzen. Eine gefährliche Mixtur aus Quecksilber, Blei, Cadmium, Arsen, polychlorierten Biphenylen (PCB) und reichlich Zinkchromat.

Ausrangierte Handys der ersten Generation landen immer häufiger im Hausmüll, gehen von dort auf die Deponien und gefährden langfristig Mensch und Umwelt. „Aus diesem Grund wollen wir ein Handy entwickeln, das im Hausmüll entsorgt werden kann, ohne die Umwelt zu schädigen“, erklärt Siegfried Pongartz, Direktor des Motorola Advanced Technology Centers Europe (MATC-E) in Wiesbaden. Etwa die Hälfte aller Handynutzer behält das Gerät nur ein Jahr, anschließend wird ein neues angeschafft. Techniker von Motorola arbeiten im Wiesbadener Umweltlabor REAL (Rapid Environmental Assessment Lab) mit umweltschonenden Materialien bereits an neuen Konzepten.

Oberstes Ziel ist es, umweltfreundliche Produktlinien zu entwickeln. Dazu zählt ein umweltgerechtes Design, die Ökobilanzierung der gesamten Prozesskette und vor allem auch die Erarbeitung eines Entsorgungskonzepts für Mobiltelefone. So arbeiten die Entwicklungsingenieure in Wiesbaden mit Wissenschaftlern der Universität Erlangen zusammen. In Teamarbeit ist eine Software entwickelt worden, die die Motorola-Ingenieure bei der Konzeption umweltverträglicher Produkte unterstützt.

Als erster Hersteller hierzulande hat sich die Deutschland-Tochter des US-Elektronik- und -Halbleiterkonzerns vorgenommen, die einzelnen Bestandteile der Handys so zu gestalten, dass sie zu 80 bis 90 Prozent wiederverwertet werden können. „Derzeit liegt der recyclingfähige Anteil bei 40 bis 60 Prozent“, meint Siegfried Pongartz. Einen wichtigen Umweltaspekt haben sowohl die verwendeten Leiterplatinen als auch die eingesetzten Akkus in den Mobiltelefonen. Bereits durch den Verzicht auf Nickel-Cadmium-Zellen konnte die Umweltbelastung durch Schwermetalle deutlich verringert werden.

Während der gesamten Nutzungsdauer müssen Handys regelmäßig aufgeladen werden. Die Ladestationen sollten also optimal genutzt werden. Motorola hat in einer Studie ermittelt, dass beim durchschnittlichen Handynutzer rund 90 Prozent der eingesetzten Energie durch Stand-by-Betrieb von Ladegeräten verschwendet werden. Nur rund 10 Prozent werden tatsächlich für Telefonate und das Stand-by der Telefone gebraucht. „Aus diesem Grund entwickeln wir neue, intelligente Ladegeräte, die im Stand-by-Modus keinen Strom mehr verbrauchen und sich auch nach Ladung der Akkus wieder abschalten“, erklärt Quinkert.

Gemeinsam mit Herstellern wie Ericson, Nokia, Alcatel, Philips und Panasonic hat Motorola eine Industrie-Initiative gegründet, die in Pilotprojekten bereits die Rücknahme alter Handys organisiert. „Die Modelle sind in Schweden bereits erfolgreich angelaufen“, erklärt Alcatel-Sprecherin Veronika Hucke. Mit Hilfe von Recyclingunternehmen soll bereits im kommenden Jahr auch in Deutschland ein Wertstoffkreislauf entstehen, der Ressourcen schont und Müllberge vermeidet. Anfang Oktober wird es auf Initiative von Motorola-Chef Quinkert ein erstes Treffen geben, an dem Siemens, Nokia, Ericson und Panasonic beteiligt sind. „Wenn unsere Ingenieure erst einmal das komplett recycelbare Handy ohne Schwermetalle serienreif gemacht haben“, dann können wir auf aufwendige Rückholsysteme verzichten“, meint Quinkert.

Doch das wird noch dauern und frühestens ab 2003 der Fall sein. Beim Umweltbundesamt (UBA) in Berlin hat man die ersten „grünen“ Gehversuche der Handyhersteller wohlwollend zur Kenntnis genommen. Derzeit gebe es für ausrangierte Mobiltelefone noch kein Verwertungssystem, heißt es dort. „Die neue Initiative der Handybauer begrüßen wir“, meint Christiane Schnepel, Expertin in Sachen Elektronikschrott bei der Berliner Behörde. Trotzdem sind die Umweltfachleute an der Spree skeptisch: Die Selbstverpflichtungen der Industrie speziell bei der umweltgerechten Produktentwicklung seien bisher nur recht mager ausgefallen.

Die Handyproduzenten haben offenbar aus der Vergangenheit gelernt. Sollte die Industrie nicht mit eigenen Lösungsvorschlägen bei der Entsorgung des Mobilfunkschrotts glänzen, dann könnte der Gesetzgeber sie in ein, zwei Jahren dazu verpflichten. Das ist wohl auch eine Erklärung mit dafür, warum Motorola und andere Hersteller das Thema „umweltgerechte Handys“ nun entdeckt haben. „Die Branche will nicht in den Ruf kommen, massenhaft Wegwerfartikel auf den Markt zu bringen. Grüne Handys werden bald trendy sein, allein aus Marketinggründen werden sich die Unternehmen etwas einfallen lassen“, sagt UBA-Expertin Christiane Schnepel. MICHAEL FRANKEN