THIERSES IRAN-REISE HAT BISHER NUR DÜRFTIGE ERGEBNISSE GEBRACHT
: Der Traum vom Einfluss

Das haben die Iraner aber gar nicht gerne: dass ein Staatsgast erklärt, er werde sich für die demokratische Seite des politischen Spektrums einsetzen. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ließ schon vor seinem Abflug wissen, er wolle die Reformer im Iran unterstützen. Natürlich haben diese seit den Wahlen die große Mehrheit. Mehrheit im Iran bedeutet aber nicht Macht. Und die Konservativen, die in die Rolle der Minderheit und in die Defensive gedrängt wurden, betrachten den Besuch Thierses denn auch mit Skepsis und Ablehnung. Sie unterstellen dem Gast, er wolle sich in die internen Angelegenheiten des Iran einmischen.

Wenn Thierse sich wirklich einmischen wollte, dann würde er sich ernsthaft mit den Konservativen anlegen, und das täte den gegenseitigen Beziehungen sicher nicht gut. Wenn er es aber bei Freundlichkeiten belässt – wie beim Gespräch mit seinem Amtskollegen Karroubi –, dann ist das enttäuschend für all jene im Iran, die sich von Deutschland echte Rückendeckung und Hilfe erhofft hatten. Unter ihnen natürlich vor allem die Teilnehmer an der Berliner Iran-Konferenz der Böll-Stiftung, die im Januar zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Eine Reduzierung, wenn nicht gar Aufhebung dieser Urteile zu erreichen – das wäre sicher ein Traum Wolfgang Thierses. Aber da beißt er bei seinen Gastgebern erst recht auf Granit: „Unsere Justiz ist unabhängig, da kann man nichts machen.“ Selbst Staatspräsident Chatami hat sich – sicher nicht nur unter dem Druck der nahenden Wahlen – solche Einmischung verbeten. Es müssten also Wunder geschehen, damit Thierse etwas erreichen könnte. Sein gewünschtes Treffen mit Studenten wird sicher nicht dazu beitragen. Man wird ihm welche präsentieren, nicht aber solche, die als Systemkritiker inhaftiert sind.

Der Besuch des Bundestagspräsidenten entspringt dem aufrichtigen Wunsch Berlins, die gegenseitigen Beziehungen endlich wieder zu verbessern. Aber es bleibt schwierig – wenn nicht unmöglich –, über Menschenrechtsverletzungen im Iran einfach hinwegzusehen und zu schweigen. Erst recht dann, wenn Deutschland, wie im Fall der Iran-Konferenz, tangiert ist. Der Besuch des Bundestagspräsidenten wird deswegen kaum die wirklichen Hindernisse aus dem Weg räumen, die den Weg zu einer Verbesserung der Beziehungen weiterhin blockieren.

Thierses Besuch soll das Terrain sondieren für den Kanzler, der seine Reise wegen der Teheraner Urteile vorerst verschoben hat. Bisher ist das Ergebnis recht dürftig, und man kann nur bilanzieren, dass vielleicht auch Thierse mit seiner Reise besser gewartet hätte. PETER PHILIPP