Steife Brisen in Europa

Tausende Windturbinen sind von Planern und Projektbüros bislang hierzulande realisiert worden.Nun zieht es viele ins Ausland – eine neue Herausforderung für die junge Branche und für Investoren

von MICHAEL FRANKEN

Die Prognosen könnten nicht besser sein. Bis zum Jahr 2010 soll die installierte Windkraftleistung in Europa von heute 10.000 Megawatt (MW) auf 60.000 MW ansteigen. „Dieses Ziel ist realistisch“, meint Klaus Rave, Präsident der Europäischen Windenergievereinigung (Ewea). Ein Blick auf drei Länder zeigt, wie das Tempo beim Ausbau der regenerativen Energien zunimmt. In Spanien wächst der Anteil der Windenergie derzeit stärker als in Deutschland und in Dänemark. Auch die Türkei setzt auf die Kraft des Windes, und selbst in Frankreich laufen die ersten großen Windparkprojekte an. Bereits in zehn Jahren, so die Kalkulation von Ewea-Chef Rave, könnte die Windenergie etwa 5 Prozent der europäischen Stromerzeugung decken.

Nur wer früh genug in das europäische Geschäft einsteigt, kann dort in der ersten Reihe mitmischen. Von den Erfahrungen in Deutschland profitieren zahlreiche Planungsbüros, die nun das „Modell Deutschland“ in Sachen Windenergie zu einem Exportschlager machen wollen. Mit dabei ist die am Neuen Markt boomende Umweltkontor Renewable Energy AG. Mit dem Kapitalzufluss aus dem Börsengang vom Sommer dieses Jahres will das im rheinischen Erkelenz heimische Unternehmen im Ausland „windige“ Pflöcke einschlagen. „Spanien steht bei uns ganz oben auf der Projektliste“, meint Unternehmensvorstand Heinrich Lohmann. Bis Ende 2002 will die AG auf der Iberischen Halbinsel Windfarmen in einer Größenordnung von 100 MW realisieren. Drei Großprojekte in den Regionen Andalusien und Aragón mit einem Investitionsvolumen von rund 250 Millionen Mark werden im Rahmen von Joint-Ventures mit lokalen Partnern umgesetzt. „Mit diesem Projektvolumen haben wir uns in Spanien optimal positioniert“, so Lohmann.

Derzeit sind in Spanien rund 1.300 MW Windleistung installiert. Nach den Vorstellungen der Regierung in Madrid soll das Potenzial bis 2003 auf über 6.000 MW ausgebaut werden. Die Rahmenbedingungen für Firmen wie Umweltkontor sind hervorragend. Ähnlich wie in Deutschland wird südlich der Pyrenäen der produzierte Windstrom mit 10,42 Peseten (etwa 13 Pfennig) pro Kilowattstunde vergütet. Bei teilweise stürmischen Windverhältnissen mit steifen Brisen von rund sieben bis zehn Metern pro Sekunde kann dort eine ordentliche Windernte eingefahren werden. Es ist vor allem die Wirtschaftlichkeit der geplanten Projekte, die deutsche Planer so heiß auf die Winde Andalusiens macht. Umweltkontor hat bereits in Malaga eine Filiale aufgebaut. Von dort soll die Pyrenäenhalbinsel erschlossen werden.

Ähnliche Pläne verfolgen auch andere Planer. Die Ingenieure der Firma Energiekontor aus Bremerhaven stecken die Claims ebenfalls in Südeuropa ab. Tochtergesellschaften existieren bereits in Portugal, Griechenland und Spanien. Der Startschuss für den Bau des ersten ausländischen Windparks der Energiekontor AG ist bereits gefallen, die Arbeiten laufen derzeit auf Hochtouren. Auf der griechischen Halbinsel Euböa in der Nähe der Ortschaft Zarakes entsteht der Windpark „Zarax I“. Dort werden fünf Anlagen des Typs Enercon E40/600 kW mit einer Gesamtleistung von 3 Megawatt errichtet. Damit können rund 1.700 Haushalte mit Strom versorgt werden. Die Investitionen betragen rund 7,5 Millionen Mark. Ab Frühjahr 2001 sollen vier weitere Windparks in Griechenland unter der Regie von Energiekontor entstehen. „Zarax I ist der Auftakt für eine ganze Reihe von Projekten im europäischen Ausland“, meint Bodo Wilkens, Vorstandsvorsitzender der Energiekontor AG.

Wer sich im Süden Europas in puncto Windenergie engagiert, muss viel Zeit mitbringen. Gut drei Jahre hat Energiekontor allein in die optimale Standortsuche investiert. „Die bürokratischen Hürden sind gewaltig“, weiß auch Theo Becker, beim Windmühlenbauer Nordex für Vertrieb und Projektentwicklung zuständig. Die meisten großen Windparks, die bislang im europäischen Ausland realisiert wurden, insbesondere in Portugal und in Spanien, haben von staatlichen oder auch von EU-Zuschüssen profitiert.

Privat finanzierte Projekte bilden noch die Ausnahme. Nordex-Mann Becker weiß auch, warum. Es gebe vor allem in Griechenland und in der Türkei zu viele „offene Hände“, die eine gesunde Kalkulation der Windparkprojekte häufig schwierig machten. Insbesondere in der Türkei seien die so genannten weichen Kosten für „Amtshilfen“ viel zu hoch. „Dort versuchen sich viele an den Windparkprojekten gesundzustoßen“, so seine Erfahrung mit türkischen Kooperationspartnern.

Wenn man sich in der deutschen Branche umhört, dann begegnet einem immer wieder das Argument, dass die Vorlaufkosten für geplante Windparks im Ausland wesentlich höher sind als hierzulande. Doch das schreckt die wenigsten ab. Die deutschen Planer fahren jenseits der Grenze große Geschütze auf. Mittelfristig wollen Firmen wie Energiekontor bis zu 50 Prozent des Auslandsumsatzes machen.

Doch es gibt auch sichere Kooperationspartner im Süden Europas. Ausgerechnet regionale Energieversorger – in Deutschland kaum vorstellbar – sind es beispielsweise in Spanien, die für eine rasche Abwicklung und Realisierung der Windfarmen sorgen. Sie unterstützen die Projektingenieure mit ihrem Know-how, garantieren die Abnahme des Ökostroms und beteiligen sich im Gegenzug sogar finanziell an der Realisierung der Turbinenfelder. „Aus diesem Grund versuchen wir, die regionalen Stromversorger auf unsere Seite zu ziehen, damit wir weder technisch noch wirtschaftlich Probleme bei der Durchführung unserer Windparkprojekte bekommen“, meint Umweltkontor-Vorstand Heinrich Lohmann.

Ganz so einfach, wie viele sich die Realisierung von Windparkprojekten im Ausland wünschen, läuft die Sache nicht. Optimal und problemlos ist die Kombination von deutschem Ingenieur-Know-how mit dem Background der vor Ort heimischen Energieversorger. „Die können rechnen. Wenn die durchschnittliche Windgeschwindigkeit bei rund acht Metern pro Sekunde liegt, dann wären die ganz schön blind, wenn die nicht zusammen mit deutschen Planern einen riesigen Windpark realisieren würden“, so ein Kenner der Szene. Denn bei solchen Windverhältnissen, zum Beispiel an der südspanischen Küste in der Nähe des Surferparadieses von Tarifa, rechnet sich ein 100- bis 200-MW-Windpark immer.

Bei allem Optimismus der deutschen Planer stellt sich jedoch die Frage: Warum sollten eigentlich spanische oder griechische Ingenieure, die beispielsweise an der RWTH in Aachen oder der TU in Berlin studiert haben, das Geschäft mit der Windparkplanung und -realisierung in Zukunft nicht selbst in die Hand nehmen? Eines ist sicher: Deutsches Know-how lässt sich nicht konservieren, und Geld wollen andere auch verdienen.

Ob die deutschen Windparkplaner auf Dauer im Ausland erfolgreich sein werden, muss sich noch zeigen. Als Know-how-Träger exportieren sie derzeit viel Planungskompetenz nach Spanien, Griechenland und auch nach Frankreich. Aber was spricht dagegen, dass künftig spanische Ingenieure und EVU das Geschäft mit dem Wind selbst machen? Eigentlich nichts. Schließlich kennen sie die Situation vor Ort besser als die exporthungrigen deutschen Planer.