„Nur ein Spiegelbild der Gesellschaft“

Im thüringischen Arnstadt verprügelten Rechte drei Afrikaner. Die herbeigerufene Polizei schlug selbst zu – und erinnert sich an nichts

von BERND SIEGLER

Vor sieben Monaten kam der 19-jährige John Adana als Asylbewerber von Sierra Leone nach Thüringen. Nach fünf Monaten in Jena und weiteren zwei in Arnstadt hat er seine Lektion gelernt. „Ich traue mich nicht mehr allein auf die Straße, und auch die Polizei schützt mich nicht.“

Die Nacht zum 22. Oktober hatte Adana mit zwei Freunden aus Kamerun und Sierra Leone sowie zwei deutschen Frauen in der Disco „Lindeneck“ am Rande der thüringischen Kleinstadt Arnstadt verbracht. Schon auf der Tanzfläche wurden sie von deutschen Jugendlichen angepöbelt und als „Nigger“ beschimpft, erinnert sich Adana. Als sie die Disco verließen, hätten 15 Deutsche sie verfolgt, einige davon in Autos. Vor dem Denkmal für Buchenwald-Opfer hätten die Deutschen dann mit Fäusten und Stöcken zugeschlagen. Erst als einer der Afrikaner eine täuschend echte Spielzeugpistole aus der Tasche zog, ließen die Verfolger von ihren Opfern ab. „Nachdem mich ein Baseballschläger getroffen hatte, rief ich über Handy die Polizei“, erzählt Adana. „Die tat nichts, um uns zu schützen.“

Nachdem drei Streifenwagen eintrafen, rückte die Gruppe wieder an. „Die Neonazis schlugen uns, und die Polizisten schauten zu.“ Auch die Polizisten sollen zugeschlagen haben – so fest, dass ein Schlagstock dabei zerbrach. Auf der Polizeistation setzte sich die Misshandlung fort. „Als ein Deutscher mir auf der Wache eine Tasse heißen Kaffee ins Gesicht schüttete, lachten die Polizisten nur“, erinnert sich Adana.

Als er wieder auf freiem Fuß war, ließ sich der 19-Jährige seine Verletzungen im Krankenhaus attestieren. Die drei Flüchtlinge bezichtigten die Polizisten der Komplizenschaft mit den rechten Jugendlichen und stellten Strafanzeige gegen die Beamten.

Doch die weisen alle Vorwürfe zurück. Detlef Kasch, Sprecher der Polizeidirektion in Gotha, spricht von einer „Auseinandersetzung zwischen Einheimischen und Asylbewerbern“: Drei „Ausländer mit schwarzer Hautfarbe“ hätten eine „Gruppe Deutscher tätlich angegriffen“. Ein Asylbewerber wollte zudem nicht von einer deutschen Frau ablassen. Dann hätte einer der Afrikaner eine Pistole auf die Polizisten gerichtet, so der Polizeisprecher. Erst später habe sich herausgestellt, dass es sich um eine Spielzeugwaffe handelte. „Erst mit Hilfe der anwesenden Deutschen konnten die Ausländer unter Kontrolle gebracht werden“, heißt es im Polizeibericht. „Es hat keinerlei rassistische Angriffe vonseiten der Beamten gegeben“, betont Kasch.

Dass sich eine Demonstration am 11. November in Arnstadt gegen Neonazi-Übergriffe und „rassistische Übergriffe durch Polizisten“ gerichtet habe, ärgert ihn maßlos. Organisiert hat die Veranstaltung der innenpolitische Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, der Arnstädter Steffen Dittes. In seiner Rede habe dieser „Polizisten und Nazis gleichgesetzt“, empört sich Innenminister Christian Köckert (CDU). Dittes bestreitet den Vorwurf. Auch die vom Innenministerium vorgelegten Tonbandmitschnitte und Wortprotokolle des Staatsschutzes beunruhigen ihn nicht. „Man wird solche Sätze vielleicht hören, aber meine Stimme nicht.“ Eine pauschale Gleichsetzung von Polizei und Nazis sei unsinnig, aber die Polizei sei eben „auch nur ein Spiegelbild der Gesellschaft“. Dittes will den Innenminister gerichtlich zum Widerruf zwingen. Es handele sich um eine „gezielte Kampagne, um von den Übergriffen der Polizei auf Asylbewerber in Arnstadt abzulenken“.

Adana und seine Freunde trauen sich nicht mehr auf die Straße. „Ich habe Angst hier und will möglichst schnell weg.“