Die Maginot-Linie im Internet

Ein französisches Gericht verlangt von Yahoo, Franzosen den Zugang zu inkrimierten Seiten zu verwehren – und zensiert damit eine amerikanische Website. Yahoo spricht von einem „gefährlichen Präzedenzfall“, der Frankreich im Netz isolieren würde

von ERIC MÖLLER

Yahoo hat es nicht leicht. Das größte Internet-Portal der Welt soll nach dem Urteilsspruch eines französischen Gerichts Surfer aus Frankreich daran hindern, Nazi-Devotionalien wie Abzeichen und Uniformen über Yahoo anzubieten oder zu verkaufen. Kläger waren die Vereinigung jüdischer Studenten und die Liga gegen Rassismus und Antisemitismus. Dabei ist Yahoo nicht etwa für eine besondere Nazi-Affinität bekannt, es handelt sich lediglich um ein besonders prominentes Ziel.

Bereits im Mai dieses Jahres hatte Richter Jean-Jacques Gomez entschieden, Franzosen dürften nicht auf die anstößigen Angebote zugreifen können. Dieses Urteil hat die französische Justiz nach erneuter Prüfung nun bestätigt. Philippe Guillanton, Direktor von Yahoo Frankreich, bezeichnete die Entscheidung als „gefährlichen und besorgniserregenden Präzedenzfall“: Man habe „Zensur einer pädagogischen Methode vorgezogen“. Eventuell wird Yahoo Berufung gegen das Urteil einlegen.

Sperren umgehbar

Yahoo hatte vor Gericht argumentiert, man könne zwar mit Leichtigkeit 70 Prozent der französischen Nutzer aussperren, die verbleibenden 30 Prozent zu erfassen sei aber fast unmöglich. Tatsächlich lassen sich sämtliche Sperren mit Anonymisierungs-Diensten, Proxy-Servern und ähnlichen Tricks umgehen.

Bereits in der Vergangenheit waren Auktionshäuser wegen der dort angebotenen Waren in die Kritik gekommen. Im letzten Jahr bat das Simon-Wiesenthal-Zentrum den Internet-Auktionator eBay USA um die Entfernung von Nazi-Angeboten. In den USA sind solche Auktionen jedoch völlig legal und gelten allenfalls als moralisch fragwürdig.

Bei der durch das französische Urteil wieder aufgeflammten Diskussion geht es um die Grenzziehung im Internet und darum, welchen Einfluss nationale Gesetze auf internationale Sites wie Yahoo und eBay haben. eBay hat sich dazu entschlossen, auf Beschwerde hin entsprechende Angebote zu entfernen. Die Internet-Buchhändler Amazon.com und Barnes and Noble wurden vom deutschen Justizministerium mit Erfolg darum gebeten, Nazi-Propaganda nicht nach Deutschland auszuliefern. Das fiel in diesem Fall leichter als die Beschränkung von Auktionen, da dieser Service vollständig unter der Kontrolle der Anbieter liegt, während Auktionen unter den Millionen von Benutzern abgewickelt werden.

Andere Länder haben in der Vergangenheit zwar ausländische Sites zensiert, dies aber ausschließlich unter Zuhilfenahme von Filtern auf den eigenen Rechnern. So hatte Saudi-Arabien den Zugang zu so genannten Yahoo Clubs gesperrt.

Saudis außen vor

Hier bietet der Online-Dienstleister Nutzern die Möglichkeit, sich in geschlossenen Benutzergruppen zu organisieren. Weil dort auch Pornos getauscht werden, dürfen die Saudis die Site nicht mehr abrufen. Dazu waren aber keine Änderungen seitens Yahoo nötig: Jeder Bürger des Königreichs darf nur mit speziellen Zensur-Einstellungen überhaupt ins Netz, um Moral und Anstand zu wahren.

Das Besondere am Yahoo-Fall ist, dass hier ein französischer Richter die (landesabhängige) Zensur einer amerikanischen Website gefordert hat. Das Urteil legt fest, dass Yahoo eine Gesetzesüberschreitung auf französischem Gebiet begangen habe und folglich nach französischem Recht zu bestrafen sei. Solche Urteile bedrohen die Entwicklung des Internet-Handels, denn bei den zahllosen verschiedenen Gesetzgebungen der Internet-Nationen müsste jeder Händler hochkomplexe Kontrollsysteme installieren, um zu verhindern, dass Bürger aus den falschen Ländern auf die falschen Daten zugreifen. Der Yahoo-Fall ist natürlich insofern ein spezieller, als Yahoo in Frankreich ein Tochterunternehmen hat und daher nicht in Konflikt mit den dortigen Behörden kommen will.

Hat das Urteil Bestand, so läuft Frankreich Gefahr, sich als Internet-Land zu isolieren. Wenn rigoros die Einhaltung französischer Gesetze durch ausländische Sites gefordert wird, werden einige von ihnen sicher den einfachsten Weg gehen und jeden Besucher mit einer französisch aussehenden Internet-Adresse komplett verbannen.