Neues vom AKW Bibriss

Riss im Block Biblis A tiefer als gedacht. Außerdem sind es jetzt drei. Hessischer Umweltminister hielt angeblich Informationen zurück. Experten sollen das Wichtigste klären: Wann entstand der Schaden? Betreiber versteht die Aufregung nicht

aus Frankfurt am MainKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Wie gefährlich der Schweißnaht-Schaden am Reaktor Biblis A wirklich ist, bleibt weiter unklar. „Zwischen 48 und 190 Millimeter lang und bis zu 16 Millimeter tief“ sollen die nunmehr drei Risse an einem Verbindungsstück zwischen dem radioaktiv belasteten Reaktorkühlkreislauf und dem Not- und Nachkühlsystem sein. Das jedenfalls vermeldete gestern die Frankfurter Rundschau. Bislang hatte Landesumweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) nur von einem Riss an der 35 Millimeter dicken Schweißnaht gesprochen.

Zuvor schon hatte sich der Umweltausschuss des hessischen Landtags in nicht öffentlicher Sitzung mit dem „sehr sicherheitsrelavanten Fall“ (SPD) beschäftigt; die von den Grünen beantragte Herstellung der Öffentlichkeit war zu Sitzungsbeginn von der CDU/FDP-Ausschussmehrheit abgelehnt worden. Weil es schon in der Zeitung stand, fühlte sich die grüne Landtagsabgeordnete Ursula Hammann, Mitglied im Umweltausschuss, gestern nicht mehr an ihre Pflicht zur Verschwiegenheit gebunden: Auf Nachfrage im Ausschuss habe der Staatssekretär im Umweltministerium, Thurmann, zugegeben, dass es tatsächlich „drei Risse in einer Schweißnaht“ gebe. Und dass einer der Risse „fast die Hälfte der Wandstärke“ (Hammann) erreiche. Dietzel müsse nun Farbe bekennen. „Und zu einer transparenten Informationspolitik gehört auch, den Abgeordneten die fünfseitige Darstellung von RWE zu diesem Vorfall zukommen zu lassen“, so die Abgeordnete.

Zuvor schon hatten Grüne und SPD dem Minister vorgeworfen, die Erstinformation über diesen Fall von höchster Dringlichkeit systematisch verschleppt zu haben. Erst zehn Tage nach der Störfallmeldung von RWE habe Dietzel den Bundesumweltminister verständigt. Dietzel kehre damit zu einer Informationspolitik zurück, wie sie schon die erste CDU-geführte Landesregierung (1987 – 1991) betrieben habe. Von einem Beinahe-GAU in Biblis 1987 erfuhr die Öffentlichkeit erst ein Jahr später: durch einen Artikel in einer US-Zeitschrift.

Wohl am kommenden Montag wird sich die Reaktorsicherheitskommission des Bundes unter Vorsitz von Lothar Hahn (Öko-Institut) mit dem Fall beschäftigen. Dabei geht es vor allem um die Klärung der Frage, ob es sich bei dem/den Riss(en) um „betriebsbedingte“ handelt oder um einen Schaden, der schon beim Bau der Anlage 1973 verursacht wurde. Ein betriebsbedingter Defekt würde es notwendig machen, auch andere Reaktoren ähnlicher Bauart umgehend zu untersuchen. Nach Darstellung von RWE entstand der Riss bei der Herstellung der Schweißnaht und sei ohne sicherheitstechnische Bedeutung.