Der Abwehrkampf der NPD hat schon begonnen

Nach Auffassung des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt könnten die Rechtsvertreter der Partei die 500-seitige Akte mit den Verbotsgründen mühelos auseinander nehmen

BERLIN taz ■ Ehrlich gesagt fühlt sich Udo Voigt doch „sehr erleichtert“. Das Votum der Länderinnenminister, einen Antrag auf Verbot der NPD zu stellen, hat den Chef der NPD keineswegs aus der Bahn geworfen. Fast fröhlich ruft Voigt ins Telefon: „Jetzt endlich können wir Plan B starten“. Der Abwehrkampf der NPD hat begonnen.

Gut ein Dutzend Juristen stehen der NPD-Spitze zur Seite. Sie könnten die 500-seitige Akte mit den Verbotsgründen mühelos auseinander nehmen, glaubt Voigt. Offiziell hat er noch keinen Einblick in die Ordner nehmen können, doch wurden jüngst wichtige Passagen des Konvoluts bekannt. Laut Voigt ist es den Verfassungsschützern nicht gelungen, einen Beleg dafür zu liefern, dass seine Partei irgendjemand anweise, Straftaten zu begehen. Im Gegenteil: Die NPD will darlegen, dass der Staat seit Jahren versucht, durch bezahlte Spitzel Gewalt in die Partei zu tragen.

Vier VS-Spitzel sind in der Vergangenheit aufgeflogen. Anfang Juni wurde Thomas Dienel geoutet. Mindestens anderthalb Jahre lang nutzte das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz den vorbestraften Neonazi und Ex-NPD-Landesvorsitzenden als Quelle. Über Jahre führte das Brandenburger Amt Carsten Szczepanski, verurteilt wegen versuchten Totschlags. In Mecklenburg-Vorpommern standen Mathias Meier und Michael Grube auf der VS-Gehaltsliste. Laut Voigt leitete Meier eine Wehrsportgruppe, Grube saß unter anderem wegen versuchten Totschlags im Knast.

Wenn die Innenminister ihr Verbotsveto damit begründen, dass Mitglieder und Anhänger zur Durchsetzung ihrer Ziele auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, will die NPD beweisen, dass nicht sie zur Gewalt anstiftet, sondern der Verfassungsschutz. Für die nächsten Wochen kündigt ihr Chef Voigt „große Enthüllungen“ an. Er will weitere Spitzel enttarnen, ihre Straftaten aufdecken.

Mit diesem Vorgehen könnte die Partei durchaus Punkte im Verbotsverfahren sammeln. Zumal Otto Schily einen Teil seiner Materialsammlung noch nicht einmal den Mitgliedern des Bundestagsinnenauschusses zeigen will. Rund 50 der 500 Seiten hat er als geheim einstufen lassen – aus Gründen des Quellenschutzes. Selbst in der öffentlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts dürfte dieses Material nicht verwendt werden. Gelingt es der NPD aber, weitere Maulwürfe in ihren Reihen zu enttarnen, nähme sie Otto Schily reichlich Wind aus den Segeln.

Der Innenminister glaubt, genügend Beweise dafür gesammelt zu haben, dass die NPD „in aggressiv-kämpferischer Weise“ gegen den Staat vorgeht. Seit Udo Voigt vor vier Jahren die Führung übernommen habe, „genießt die Themen- und Aktions-bezogene Zusammenarbeit mit Neonazis Priorität“, heißt es in dem Bericht. In der NPD-Mitgliederkartei finden sich einige Funktionäre verbotener Organisationen: Jens Pühse, ehemals Nationalistische Front; Sascha Roßmüller, ehemals Nationaler Block; Frank Schwerdt von den Nationalen und Steffen Hupka, ehedem Nationalistische Front. „Elf Mitglieder der Bundesebene von NPD und JN (der Jugendorganistaion; d. Red.) haben einen neonazistischen Vorlauf. Auf der Ebene der Landesverbände sind dies gegenwärtig 59“, vermerkt der Schily-Bericht.

Der Vorwurf, dass gut ein Dutzend radikaler Mitglieder die dienstälteste deutsche Rechtspartei umkrempeln können, hält der NPD-Chef für abstrus. Schließlich habe der NPD-Parteivorstand Schwerdt und die anderen „genau und lange geprüft“, bevor ihnen das Parteibuch ausgehändigt worden sei. Alle seien sie „ordentliche Jungs“.

Die Verbotsbefürworter glauben, dass der radikalen NPD-Rhetorik durchaus terroristische Taten folgen können. Verfassungsschützer sehen ein Anzeichen dafür, dass sich ältere Mitglieder immer häufiger zurückziehen und Militante das Sagen übernehmen, wie in Schleswig-Holstein. Dass sich aus Gewalt und Ideologie ein explosives Gemisch ergibt, könne ihnen aber niemand nachweisen, erwidert Voigt. Die Partei werde beweisen, „dass wir nichts an unserem Kurs ändern müssen“. Vor Wochen schon hat der NPD-Chef die Parole ausgegeben, den Staat nicht zu reizen. ANNETTE ROGALLA