BIG Trouble in little Bremen

■ Geht in der „Bremen GmbH“ alles mit rechten Dingen zu? Der von den Grünen beauftragte Jurist Dian Schefold hält die Gesetzesgrundlagen für verfassungwidrig / Eine Bestandsaufnahme

Die großkoalitionäre Einigkeit über die Privatisierungspolitik des Senats bröckelt. In der SPD werden inzwischen die Zweifel immer lauter, ob bei der Auslagerung von Teilen des öffentlichen Dienstes in privatrechtlich organisierte Unternehmen alles mit rechten Dingen zugeht. Deshalb will die sozialdemokratische Fraktion in der Bürgerschaft wie berichtet den oppositionellen Bündnisgrünen die nötigen Stimmen verschaffen, um gegen die rechtliche Grundlage der „Bremen GmbH“, das so genannte Beleihungsgesetz, vor dem Staatsgerichtshof klagen zu können. Das Gesetz ist nämlich verfassungswidrig, urteilt der von den Grünen mit einem Gutachten beauftragte Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bremen, Dian Schefold. So weit geht die SPD freilich nicht. Sie will aber jetzt immerhin eine rechtliche Klärung. Damit haben nun die JuristInnen im Streit um eine Reform das Wort, die immer weitere Lebensbereiche betrifft.

Mehr Effizienz, mehr Dienstleistungsorientierung und mehr Transparenz lauten die Stichworte, unter denen die Landesregierung den öffentlichen Dienst zu einem Konzern Bremen umbauen will. Dieses so genannte neue Steuerungsmodell gilt nicht nur im kleinsten Bundesland als Segen. Auch die meisten anderen Kommunen und Länder strukturieren ihre Verwaltung um, gründen Eigenbetriebe, GmbHs und sogar Aktiengesellschaften. Doch Bremen geht dabei besonders weit, schreibt Dian Schefold in seinem Gutachten, das der taz jetzt vorliegt.

Der Konzern Bremen ist sozusagen in Gründung. Anfang 1999 hat der Senat an die Bremer Investitionsgesellschaft (BIG) und ihr Bremerhavener Pendant BIS (Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung) große Bereiche der Wirtschaftsförderung übertragen. In dieser Woche hat die Bürgerschaft in zweiter Lesung die gesetzlichen Grundlagen für die Gründung der Gesellschaften Bremer Arbeit und Bremerhavener Arbeit beschlossen, die ab Januar 2001 vor allem die Wiedereingliederung arbeitsloser SozialhilfeempfängerInnen in den Arbeitsmarkt übernehmen sollen. Ähnliche Privatisierungspläne hat der Senat unter dem Titel Port Authority für die Hafenverwaltung. Die ebenfalls geplante Kompetenzerweiterung für die Controllinggesellschaft „kultur.management.bremen“ (kmb) ist in der Koalition inzwischen umstritten: Die SPD will nicht mehr, die CDU will unbedingt.

Anders als bei der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG), unter deren Dach wie bei einer Holding die Stadthalle, die Messe-Gesellschaft, die Glocke, die Tourismuszentrale und weitere GmbHs zusammengefasst sind, haben BIG, BIS und die geplanten Gesellschaften Sonderrechte: Sie sind beliehene Unternehmen. Beste Absichten unterstellt, will die Landesregierung mit dieser so genannten Beleihung Verwaltungsabläufe vereinfachen und flexibler gestalten. Außerdem können die GmbHs wirtschaftlich handeln und über die Bremer Landesgrenzen hinaus tätig sein. Dafür hat der Senat den Gesellschaften Haushaltsbudgets und hoheitliche Aufgaben übertragen.

Genau hier setzen die Grünen und Dian Schefold mit ihrer Kritik an. Die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert stellt die Grundsatzfrage: „Darf man den Staat in einen Irrgarten von GmbHs zerlegen?“ Schefold, der auch die Klageschrift erstellen soll, antwortet zusammengefasst: Nein – jedenfalls nicht nach den von der Bürgerschaft beschlossenen gesetzlichen Grundlagen.

In seinem Gutachten konzentriert er sich auf die bereits bestehenden Gesellschaften BIG und BIS, bezieht sich aber auch auf die geplanten Gesellschaften Bremer und Bremerhavener Arbeit und kmb. Gleich in mehreren Punkten hält Schefold das so genannte Beleihungsgesetz für dringend korrekturbedürftig oder gar für verfassungswidrig (siehe Kasten). Nach Auffassung des Juristen macht der Senat mit der Übertragung von großen Bereichen der Wirtschaftsförderung auf die BIG und BIS die Ausnahme zur Regel und bricht damit die Verfassung. Außerdem seien die Gesellschaftsorgane mit einer so weit gehenden Unabhängikeit ausgestattet, dass der öffentlichen Hand so gut wie keine Einflussmöglichkeiten zugestanden werden. Und nicht zuletzt: Durch die Möglichkeit der Gesellschaften, Geld von einem Haushaltstitel in einen anderen zu verschieben, erfolgt nach Schefolds Ansicht faktisch keine parlamentarische Steurung mittels des Haushaltsplans mehr.

Die Kritik des Gutachters stützt sich aber nicht nur auf den Gesetzestext, sondern auch auf die Praxis. Einmal jährlich müssen die Gesellschaften einen Jahresbericht vorlegen. „Ein solcher Bericht liegt dem Parlament bis heute nicht vor“, schreibt Schefold und fährt fort: „De facto enthält der Senat dem Parlament wissentlich Informationen und damit auch Kontrollmöglichkeiten vor.“

Insbesondere diese Passage dürfte für Diskussionsstoff über die „Bremen GmbH“ sorgen. Denn auch nicht juristisch beschlagene KritikerInnen prangern die mangelnde Transparenz der neuen Unternehmen und ihrer Geschäftsführer an, die eine virtuelle Mauer um ihre von nun an wirtschaftlich tätigen Gesellschaften errichten. Für ein politisches Erdbeben sorgte genau in diesem Zusamenhang die Finanzkrise des Musicals „Jekyll & Hyde“. Erst in deren Verlauf wurde der Verdacht auch offiziell bestätigt, dass Bremen das Hauptrisiko bei diesem vermeintlich privatwirtschaftlichen Unternehmen trägt.

Die BefürworterInnen der Privatisierung halten den durch die akute Musicalkrise in ihrem Misstrauen bestätigten KritikerInnen entgegen, dass sich Abschottung sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich organisieren lässt. Diese Stimmen weisen besonders auf die Rolle von Abgeordneten im Parlament und den Fachdeputationen hin. Es ist deshalb bedauerlich, dass Schefolds Gutachten sehr wenig über die fast zweijährige Praxis nach Gründung der beiden Wirtschaftsförderungsgesellschaften BIG und BIS sagt. Nehmen die Abgeordneten ihre Rechte wahr, Mittel zu vergeben und auch zu entziehen? Die Diskussion ist längst eröffnet.

Christoph Köster