„Kein Persilschein für Tabakindustrie“

Drogenbeauftragte Christa Nickels ist vorsichtig: „Einschränkungen möglichst auf freiwilliger Ebene“

taz: Die Bundesregierung hat das Tabakwerbeverbot zu Fall gebracht. Ein schöner Erfolg für Rot-Grün . . .

Christa Nickels: Der Europäische Gerichtshof hat Kompetenzfragen klargestellt und das ist hilfreich. Das ist aber kein Persilschein für die Tabakindustrie. Das Urteil enthält keinerlei gesundheitspolitische Aussagen.

Sie finden es also richtig, dass Rot-Grün die noch von der Kohl-Regierung eingereichte Klage einfach weiterbetrieben hat?

Unser Haus, das Gesundheitsministerium, und das Jugendministerium haben aus gesundheitspolitischen Gründen dafür plädiert, die Klage zurückzunehmen. Wir konnten uns damals allerdings nicht durchsetzen.

Warum nicht?

Fachjuristen waren der Auffassung, dass die Klage ausschließlich Kompetenzfragen zwischen EU und Mitgliedsstaaten betrifft.

Wie geht's nun weiter? Der EuGH hat ja relativ klar definiert, wie ein juristisch wasserdichtes EU-Werbeverbot aussehen könnte. Soll die EU jetzt möglichst schnell den Fehler beheben und retten, was zu retten ist?

Wir müssen jetzt das Urteil auswerten und ausloten, wie sich die EU-Kommission und die anderen EU-Staaten verhalten. Das gibt jetzt sicher eine muntere Diskussion.

Mit welcher Position wird sich das Gesundheitsministerium an dieser munteren Diskussion beteiligen? Sind Sie für ein neues wasserdichtes EU-Tabakwerbeverbot?

Die zu ziehenden Schlussfolgerungen aus dem Urteil werden wir zuerst mit den anderen Ressorts und den Ländern erörtern.

Ein Tabakwerbeverbot auf nationaler Ebene wäre auf jeden Fall möglich. Sind denn Schritte in diese Richtung denkbar?

Es ist die Position der Bundesregierung, Einschränkungen möglichst auf freiwilliger Ebene zu erreichen. Wenn dies nicht zum Erfolg führt, müssen weitergehende Maßnahmen ins Auge gefasst werden.

Und gibt es bereits Zugeständnisse der Tabakindustrie im Bereich der Werbung?

Nein.

Es ist also in den letzten zwei Jahren überhaupt nichts passiert?

Selbstverständlich doch! Wir haben national und international eine Vielzahl von Raucherschutz- und Entwöhnungsmaßnahmen gestartet. Vorrang hat der Bereich Kinder- und Jugendschutz.

Bisher ist es ja immer noch erlaubt, Zigaretten an Kinder und Jugendliche abzugeben.

Wenn der Bundestag zustimmt, wird es ein solches Abgabeverbot noch in dieser Wahlperiode geben. Derzeit sind Gesetzentwürfe des federführenden Jugendministeriums und einer interfraktionellen Abgeordnetengruppe – in enger Abstimmung mit unserem Haus – in Arbeit. Parallel konnte die Zusage der Automatenindustrie erreicht werden, die Tabakautomaten kinder- und jugendsicher zu machen. Derzeit beginnt ein Modellversuch, wonach derartige Automaten nur noch per Geldkarte zu bedienen sind.

Interview: CHRISTIAN RATH