Von Privat für dumm verkauft?

■ Klinikpersonalräte laufen Sturm gegen eine Privatisierung der Kliniken. Ihre Horrorvision: Elektronik- oder Pharmafirmen könnten den Kurs bestimmen

Die Personalräte der Bremer Kliniken fürchten die Privatisierung der Krankenhäuser unter dem Dach einer Holding. Anlass ist ein entsprechender Vorschlag von Ernst&Young-Gutachtern. Der Personalratsvorsitzende der St.-Jürgen-Klinik, Thomas Hollnagel, hat dabei besondere Bedenken – auch weil er Privatisierungsansätze von Teilen des Eigenbetriebs im Zentrallabor bereits erlebt.

taz: Herr Hollnagel, wieso sehen Sie in der Privatisierung der Bremer Kliniken eine Gefahr?

Thomas Hollnagel, Personalrats-Vorsitzender der St.-Jürgen-Klinik: Wir befürchten dadurch eine Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen, weil Arbeitgeber schon geäußert haben, dass sie aus dem Tarifniveau BAT im Gesundheitswesen aussteigen wollen, um Kosten einzusparen.

Sie haben sich auf der Personalversammlung der Bremer Kliniken kürzlich sehr kritisch zur Privatisierung des Zentrallabors geäußert.

Diese Privatisierung war seit Jahren geplant, ist dann aber vom Personalrat zweimal auf dem Mitbestimmungsweg verhindert worden. Uns ist bekannt, dass in der Privatwirtschaft, beispielsweise im Labor Schiwara, das jetzt Kooperationspartner für die St.-Jürgen-Klinik ist, die Einkommen schlechter sind, weil dort KollegInnen teilweise ohne Arbeitsverträge arbeiten.

Ist es nicht eine unmoderne Haltung, ständig auf Besitzstandswahrung zu pochen – anstatt gerade unter dem Druck drohender Privatisierung und starken Wettbewerbs andere Strategien zu wählen?

Grundsätzlich fragen wir uns, warum überhaupt privatisiert werden muss? Wir schreiben schwarze Zahlen in den Kliniken. Die Rationalisierungsmaßnahmen, die stattgefunden haben, haben wir im Personalrat großteils mitgetragen.

Beim Zentrallabor sind Sie offensichtlich nicht sehr weit gekommen. Da gibt es jetzt trotzdem einen Kooperationsvertrag zwischen der Klinik und einem privaten Labor.

Die Direktion hat sich davon natürlich Kosteneinsparung versprochen nach dem Motto: wenn ich eine Leistung einkaufe, muss ich das Personal nicht mehr vorhalten, sondern definiere genau, welche Leistung ich zu einem fest kalkulierten Preis einkaufe.

Im Krankenhaus Links der Weser hat der Personalrat mit Vereinbarungen Furore gemacht, weil die letztlich dazu führten, dass Arbeitsplätze in der Klinik erhalten blieben. Warum haben Sie so was mit dem Labor nicht geschafft?

Zunächst mal: die Arbeitsplätze im Labor haben wir gehalten. Zweimal gegen den Widerstand der Direktion. Das ging bis in die Schlichtung – zu unseren Gunsten. Wir haben der Direktion gleichzeitig Gespräche auch über Rationalisierung im Labor angeboten.

Bei dem Weg, der jetzt mit dem Kooperationsvertrag beschritten wird, bleibt die Personalvertretung aber draußen – weil die Direktion an den bestehenden Arbeitsverhältnissen zwar nicht rüttelt. Allerdings sollen frei werdende Arbeitsplätze nicht mehr ersetzt werden. Stattdessen werden die Leistungen an unseren Kooperationspartner fremdvergeben. Für die KollegInnen im Privatlabor gelten die Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes nichts?, sie arbeiten neben KollegInnen, die anders bezahlt werden als sie selbst.

Nochmal, warum schafft das Labor der St.-Jürgen-Klinik es nicht, Leistungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten?

Die privaten Labore können im Verbundsystem riesige Mengen bewältigen und deshalb günstiger anbieten. Das ist natürlich immer rationeller als die Laboruntersuchungen eines Krankenhauses. Uns ist auch bekannt, dass diese Labore vielfach mit Hilfskräften auf 630 Mark-Basis günstiger arbeiten, während bei uns ausgebildete medizinisch-technische Laborassis-tenten beschäftigt sind.

Das klingt doch aber, als wären Eigenbetriebe noch lange nicht wettbewerbsfähig. Ist vor dem Hintergrund ein Umbau nicht doch überfällig? Und warum dann Ihr scharfer Protest gegen das Ernst&Young-Gutachten, nach dem unter dem Dach einer Holding die verschiedenen Klink-GmbHs doch effektiver geführt werden können?

Wir behaupten, dass alles, was beabsichtigt ist, im Eigenbetrieb so gut gemacht werden kann wie in einer GmbH. Es sind doch dieselben Leute. Bislang ist es vor allem an den Egoismen der einzelnen Krankenhäuser und an der Politik gescheitert. Wir haben beispielsweise bei der Privatisierung der Blutbank eine kommunale Blutbank für alle Krankenhäuser gefordert. Ein Zentrallabor für alle Krankenhäuser fordern die Personalräte schon seit über zehn Jahren. Nur bei der Zentralapotheke klappt es, da beliefert die St.-Jürgen-Klinik alle Bremer Kommunal-Krankenhäuser sowie Achim und das Diako. Es gibt also vielfältige Kooperation. Manchmal sollte die Trägerbehörde aber den Klinikleitungen die Daumenschraube anlegen, damit Vorgaben wie die arbeitsteilige Koordinierung, die im Landeskrankenhausplan festgelegt ist, eingehalten wird. Man muss so was auch durchsetzen. Unser Verwaltungsdirektor fordert die Änderung des Eigenbetriebsgesetzes, so dass mehr Kompetenz an eine Stelle kommt, die eine Kooperation dann auch durchsetzen kann. Das unterstützen wir.

Bei der Personalversammlung haben Sie das Zukunftsbild von einer privaten Krankenhauskette gezeichnet, die am Ende der Telekom oder Pharmabetrieben gehört. Wie kommen Sie dazu?

Diese Entwicklung deutet sich an. Nachdem für unser Zentrallabor beispielsweise die Kooperation mit der Firma Schiwara beschlossen worden war, wurden wir vor sechs Wochen darüber informiert, dass der Eigentümer Schiwara seine Anteile an der Laborgemeinschaft an eine überregionale Laborkette LabNet verkauft hätte. Und schon wird aus dem regionalen Anbieter, der ausdrücklich gesucht wurde, eine überregionale Kette.

Ähnliche Entwicklungen gibt es auf dem deutschen Krankenhaussektor. Ich verweise auf das Beispiel Kassel, wo der Geschäftsführer der gemeinnützigen Kasseler Klinik-GmbH gesagt hat, er plane nun eine neue Ära unternehmerischer Strukturen. Das florierende Klinikum solle verkauft werden – und er könne sich die Pharma- oder Elektronik-Industrie als Partner vorstellen, um damit die Klinik zur Keimzelle einer Krankenhauskette werden zu lassen.

Warum nicht?

Wenn eine private Firma Anteile an einer GmbH erwirbt, will sie damit natürlich Gewinn erwirtschaften. Das heißt im Krankenhaus: Personalkosten senken, die zu 70 bis 75 Prozent ja der größte Posten des Budgets sind. Das bedeutet entweder Entlassungen oder Senkung der Lohnkosten. Um den Titel GmbH geht es uns bei unseren Protesten nicht; das Betriebsverfassungsrecht würde auch im privaten Betrieb die Mitbestimmung sichern. Bloß beim Verkauf zum Erzielen von Gewinn wird das tiefe Einschnitte für die Beschäftigten haben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Sie als Personalrat über Arbeitsbedingungen sprechen. Aber sollten Sie nicht auch über Patienten reden – die Ihnen ja Ihr Brot sichern?

Die Patientenzahlen sind gestiegen. Das Personal ist schon jetzt an der Grenze der Belastbarkeit. Weitere Kürzungen wirken sich auf die Versorgung aus, es kann also nur noch schlechter werden mit weniger Personal.

Aber es geht doch ums Bestehen der Kliniken im Wettbewerb. Da ist für die Patienten bisher auch nicht alles schlechter geworden.

Natürlich kann man rationalisieren und Arbeitsabläufe anders organisieren und es wird besser. Natürlich haben die Krankenhäuser jahrelang unter den leeren öffentlichen Kassen gelitten, wir hatten ja keine Investitionsmittel um Arbeitsabläufe umzugestalten. Wenn man davon ausgeht, dass die Privaten auf dem Kapitalmarkt schneller Investitionen tätigen und so rationalisiern können, mag man Recht haben. Das Problem ist: Es gibt Bereiche, die bringen richtig Kohle, da schießen die Privatkliniken wie Pilze aus dem Boden. Aber die teuren Intensivpatienten will niemand. Das führt dann wie in Amerika zur Zweiklassenmedizin. Das kann man nicht verhindern, wenn man die Krankenhäuser dem freien Wettbewerb aussetzt.

Fragen: Eva Rhode