Ein politischer Meisterkoch

Bis vor wenigen Jahren genoss nur ein Sohn der Stadt Waging am See bundesweites Ansehen: Das war Alfons Schubeck, Meisterkoch im Waginger Kurhausstüberl. Obwohl dessen Stern trotz strengerer Kontrolle der Spesenabrechnungen durchs Finanzamt keineswegs sinkt, wird er von einem neuen Star überstrahlt: von Sepp Daxenberger, dem ersten und einzigen grünen Bürgermeister in Bayern.

Wie schafft es ein Mensch, in einer Kommune, die bei Landtags- und Bunderstagswahlen locker mit Zweidrittelmehrheit für den jeweiligen CSU-Kandidaten stimmt, in direkter Wahl und unter deutlicher Kennzeichnung als Grüner zum Bürgermeister gewählt zu werden? Ein Blick auf den Amtsinhaber verrät schon die halbe Wahrheit.

Jedes Casting über die Besetzung der Titelrolle des Schmieds vom Kochelsee hätte sofort ein glückliches Ende, wenn Daxenberger als Kandidat für die Rolle aufträte. Zunächst mal: Er ist Schmied, wenngleich im Nebenberuf. Nur noch auf dem jährlichen historischen Markttag schwingt er (zielsicher) den Hammer. Hauptsächlich hat er Bauer gelernt, und frühmorgens werkelt er noch auf dem heimischen Hof.

Er ist, was man auf Bairisch ein Mannsbild nennt, ein schwarzbärtiger Hüne, der furchtlos jeder Ansammlung von Neonazis (falls es in Waging welche gäbe) entgegentreten könnte. Aber keineswegs ist er ein Finsterling, vielmehr von wohltemperierter, geduldiger, sehr geduldiger Gemütsart.

Ein Joschka Fischer der Kommunalpolitik. „Man muss den Leuten auf dem Land die Angst vor den Grünen nehmen“, sagt er und setzt hinzu: „Ich kann hier grüne Politik nicht im Maßstab eins zu eins durchsetzen, sondern nur Schrittchen für Schrittchen.“

Als Daxenberger 1996, nach Abtritt des örtlichen CSU-Patriarchen, zur Wahl antrat, wurde er nicht zum Chaoten, sondern nur zu dessen nützlichem Idioten abgestempelt. Aber auch schweres Geschütz in der Person von Peter Gauweiler („Was die Grünen wirklich wollen“) nutzte nichts. Der Bub war den Einheimischen zu vertraut. Sie nahmen ihm ab, dass er „was anpacken“ wollte.

Daxenberger nutzte die Chance, um sichtbar von der Autokratie seines Vorgängers abzurücken. Seine Waffen: Öffentlichkeit herstellen, Leute einbeziehen. Er reaktivierte den Gemeinderat, kommentiert ebenso schriftlich wie ausgiebig das Für und Wider der Vorschläge, die er ihm unterbreitet. Er begründete einen gut besuchten Jugendbeirat. In seinem Arbeitskreis zur „Agenda 21“ sitzen immerhin 25 Leute, darunter zur Hälfte Bauern. „Zur ökologischen Keule kann und will ich nicht greifen“, sagt er. Aber immerhin: Als Person, nicht als Bürgermeister hat er Veranstaltungen zur Energiewende und zur Staatsbürgerschaft abgehalten.

Die Bilanz grüner Arbeit in Waging kann sich sehen lassen. Vorneweg das mit „Hölzerln“ arbeitende Kraftwerk, ein Avantgardeunternehmen auch im deutschen Maßstab, dann der Anschluss auch entfernterer Höfe an ein modernes Abwassersystem, Fäkalschlammtransport von den Sickergruben zum Klärwerk, Beihilfen zur privaten Wärmedämmung.

Er tut auch was für seine bäuerliche „Klassenbasis“. Einen wöchentlichen Bauernmarkt hat er eingerichtet, den Dörflern der zu Waging gehörenden Umgebung Verdienstmöglichkeiten in der Stadt verschafft. Wie andere bayerische Bürgermeister auch nutzt er die Möglichkeiten des Baurechts, um den Einheimischen die Chancen zum Hausbau zu erhalten.

Freilich: Waging geht es gut als Zentrum des Fremdenverkehrs im Alpenvorland. In die Kassen fließen nicht nur die Kurtaxen, sondern auch erkleckliche Summen aus der Gemeindesteuer. Ein Flüchtlingslager wurde schon unter dem Vorgänger aufgelöst. Ausländer? Zumeist Salzburger, auch Griechen und Türken der zweiten Generation, denen ihre Herkunft wegen des Bairischen nicht mehr anzumerken ist.

„Der Daxenberger hat nur Erfolg, weil er gar kein Grüner ist“, lautet jetzt die Verteidigungslinie der Waginger CSU. Das lässt den Angesprochenen kalt, er hält sein Wahlprogramm von 1996 hoch und rechnet vor, was er erreicht hat. Keine üble Bilanz, wenn man sie mit den Aktiva und Passiva auf Bundesebene vergleicht. Wagings Schwarze scheinen das auch zu spüren. Sie erwägen, bei der nächsten Wahl 2002 auf einen Gegenkandidaten zu verzichten.