Trommeln gegen Rassismus

. . . und Hüftwackeln für den guten Zweck: Die brasilianische Stimmungskapelle Olodum brachte am Samstag im Tempodrom mit Heavy Percussion die postalternative Volksseele zum Mitschunkeln

von DANIEL BAX

Ende gut, alles gut. Zum „Abschluss des brasilianischen Sommers“, wie die Veranstalter warben, schloss sich die Klammer zum Auftakt der „Heimatklänge“-Wochen. Die hatten im Juli mit Ile Ayé begonnen, der ältesten der so genannten „Afro Blocos“ aus Salvador da Bahia, und am Samstag sorgten Olodum, die kommerziell erfolgreichste Percussiongruppe der Stadt, für den Ausklang.

Vor den Auftritt der Gruppe hatte die taz noch eine Diskussionsrunde gesetzt, zum Thema Zivilcourage. Das hatte seinen guten Grund, nicht nur der aktuellen Debatte in Deutschland wegen, sondern auch, weil die Gruppe Olodum in Brasilien für ihre antirassistische Arbeit bekannt ist. Leider allerdings kam das Gespräch nicht über den erwartbaren Betroffenheitsdiskurs hinaus, was zum einen an der knapp bemessenen Zeit lag, die durch die Übersetzungen vom Portugiesischen ins Deutsche auch nicht effektiver genutzt werden konnte, zum anderen an der Weite des Themas. Während jeder in der Runde seine Meinung kundtat, konnte sich der Olodum-Tourmanager ein Gähnen nicht verkneifen. Aber was hätten die Gäste aus Brasilien auch schon vorschlagen sollen? Mehr Wachschutz auf deutschen U-Bahnhöfen? Oder besser: Bildet Percussionbanden?!

Das ist schließlich das Erfolgsgeheimnis von Olodum, des wohl prominentesten Kulturvereins Brasiliens, der im letzten Jahr sein 20-jähriges Bestehen feierte. 1979, im gleichen Jahr wie die taz und ebenfalls als politisches Projekt, starteten Olodum, um die Botschaft der afrobrasilianischen Bewegung, den Ruf nach schwarzer Emanzipation, auf die Straße und in die Charts zu tragen, und inzwischen auf Tourneen um den ganzen Globus. Weltweit bekannt wurden Olodum durch ihre Plattenaufnahmen mit Paul Simon, mehr noch aber dadurch, dass sie in einem Musikvideo von Michael Jackson mitwirkten. Der US-Star drehte seinen Clip zum Song „They don’t care about us“ bei seiner Stippvisite in Südamerika vor der malerischen Kulisse des Pelourninho, jenes barocken Altstadtviertels, das lange als Armengetto verschrien war, und in dem Olodum ihr Basislager haben. Hier spielen sie jeden Woche unter freiem Himmel, und sorgen dabei stets für Massenaufläufe, auch, weil sie längst ein Touristenmagnet sind.

Als „Erfinder“ des Samba-Reggae, haben Olodum diesen mit den Jahren kräftig zum Pop hin versüßt, was ihnen den Vorwurf der Anbiederung an den „weißen“ Mainstream einbrachte. Und tatsächlich: Was Olodum im Tempodrom vortrugen, und was ihr Präsident João Jorge gerne als „Musik des Widerstands“ deklariert, klingt erst einmal bestürzend harmlos, und würde sicher auch beim Kölner Karneval nicht für Irritation sorgen: gute-Laune-Stimmungsmucke, die zum Mitschunkeln einlädt, aber zum einen Ohr rein und zum anderen wieder rausgeht, ohne dazwischen viel Rückstände zu hinterlassen. Das ist ökologisch wohl auch besser so, denn Olodum schrecken in ihrem Populismus vor wenig zurück: Mal klingt es nach der Erkennungsmelodie der LBS, was da über den Teppich aus Heavy Percussion gelegt wird, mal wird „La Bamba“ angespielt, und irgendwann auch „No Woman, No Cry“ zu Samba-Reggae verwurstet. Im Handumdrehen haben Olodum das Zelt fest im Griff – Kunststück, wenn man es gewohnt ist, in Brasilien ganze Fußballstadien zum Tanzen zu bringen. Erst gegen Ende wird der Sound rootsiger, reduziert sich auf Gesang und Percussion, die eigentlichen Basis.

Dafür gibt es viel Artistik: Einer jongliert seine Klöppel, schwingt die schwere Fasstrommel über seinem Kopf und wirbelt später um die eigene Achse wie ein entfesselter Derwisch. Zwei Sänger wechseln sich ab als MCs und Anheizer, die zum Hüftwackeln oder Armeschwenken animieren; kaum jemand zeigt da noch Zivilcourage und verweigert sich dem Mitklatsch-Diktat.

Nur das Wetter wollte mal wieder nicht mitspielen. Das Leuchten der Tempodrom-Lichter wirkte ob des nasskalten Klimas heimelig wie ein Weihnachtsmarkt, und an den Ständen hätte man gut schon Glühwein statt Caipirinha ausschenken können.