Verkehrspolitik wie in der Schweiz

Ab 2003 sollen Laster in Deutschland pro Kilometer rund 25 Pfennig zahlen. Umweltverbänden und der Bahn ist das zu wenig. Die Schweiz macht jetzt schon vor, wie man Güter auf die Schiene bringt: LKW zahlen kräftig, Bahnstrecken werden ausgebaut

aus Freiburg BERNWARD JANZING

Der Kampf gegen die Laster-Flut auf Deutschlands Straßen soll im Jahr 2003 beginnen. Dann will die Bundesregierung nach dem Vorbild der Schweiz eine streckenbezogene LKW-Gebühr einführen. Im Unterschied zur Schweiz, wo das komplette Straßennetz für Lastwagen vom Jahr 2001 an gebührenpflichtig wird, muss Deutschland sich allerdings auf die Autobahnen beschränken – die europäische Rechtslage lässt anderes nicht zu.

Mit viel Sympathie beobachten im Moment deutsche Politiker die Entwicklungen im südlichen Nachbarstaat: „Die Schweiz ist das Labor europäischer Verkehrspolitik“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsgrünen, Albert Schmidt, am Wochenende in Bern vor deutschen Bahnexperten. Denn in der Schweiz werde Beispielhaftes für die Stärkung der Bahn geleistet. Entsprechend sei es in der deutschen Bundesregierung unstrittig, dass auch hierzulande im Güterverkehr ähnliche Anreize geschaffen werden müssen, um diesen verstärkt auf die Schiene zu verlagern.

Die Schweiz wird dies mit einem ambitionierten Projekt erreichen, das sich LSVA nennt – die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe. Leistungsabhängig bedeutet, dass die Laster keine Jahrespauschale bezahlen müssen, sondern individuell pro Tonne und pro Kilometer abgerechnet werden. Mit 1,68 Rappen (etwa zwei Pfennig) je Tonnenkilometer wird die Schweiz im kommenden Jahr beginnen und diesen Betrag bis 2005 auf 2,75 Rappen erhöhen. Ein 40-Tonner wird also in der Endstufe umgerechnet etwa 1,40 Mark je Kilometer bezahlen.

Parallel dazu wird das Land die Bahninfrastruktur mit einem Investitionsvolumen von 30 Milliarden Schweizer Franken ausbauen. Wesentliche Projekte sind zwei neue Eisenbahntunnel, einer mit 35 Kilometer Länge am Lötschberg, ein zweiter mit 57 Kilometern am Gotthard. Die Investitionen werden aus der LSVA finanziert, die im ersten Jahr 750 Millionen Schweizer Franken und im Jahr 2005 etwa 1,5 Milliarden einbringen soll. Die Abgabe wird eingeführt, nachdem die Mehrheit der Schweizer diese in einer Volksbefragung gefordert hatte. Die positiven Auswirkungen sind schon vor dem Start am 1. Januar 2001 erkennbar: Seit zwei Jahren investierten einige Unternehmen bereits als Reaktion auf die bevorstehende Abgabe in den Bahntransport.

Jetzt hoffen die Schweizer auf die Deutschen. „Es ist ganz wesentlich für uns, dass auch Deutschland die LSVA einführt“, so der schweizerische Verkehrsminister Moritz Leuenberger. Und auch Peter Füglistaler, Generalsekretär der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) erklärte, dass die Entscheidung Deutschlands für die Schweiz eine „sehr wichtige Rolle“ spiele. Denn erst wenn das kleine Land Schweiz mit den Verlagerungsbemühungen nicht mehr alleine stehe, sei der LKW-Transitverkehr in Mitteleuropa merklich einzudämmen. Das hört natürlich auch die Deutsche Bahn (DB) gerne, die bereits mit dem Slogan „Umsteuern in Richtung Zukunft“ für die LSVA in Deutschland wirbt.

Allein die Höhe wird in Deutschland noch diskutiert. Mehrfach wurde bereits der Betrag von 25 Pfennig je Kilometer genannt, was Umweltverbänden und auch der DB zu wenig ist. Sie fordern ähnliche Beträge wie in der Schweiz: Man müsse mit mindestens 30 Pfennig je Fahrzeug-Kilometer beginnen und diese Abgabe langfristig bis auf 1,40 Mark erhöhen, wenn sie wirkungsvoll sein solle, heißt es bei der DB. Betroffen davon sollen – wie in der Schweiz – alle LKW ab 3,5 Tonnen sein. Auch zur technischen Abwicklung hat die Bundesregierung bereits Pläne: Eine Box im Führerhäuschen der Laster wird stetig die Position der Fahrzeuge orten und so die Gebühren verbuchen.

Allerdings sind Verkehrsexperten der Bundesregierung noch skeptisch, ob die Deutsche Bahn die Chancen der LSVA so gut nutzen wird, wie man es von den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) erwartet. Denn die SBB haben – anders als die DB – dem Güterverkehr stets eine große Aufmerksamkeit gewidmet und sind heute mit täglich 1.500 Güterzügen gut im Geschäft. Werbeslogan: „Jede Tonne eine Wonne“. Von fünf Milliarden Franken Jahresumsatz macht der Güterverkehr eine Milliarde aus; im vergangenen Jahr konnten die SBB sogar 120 Millionen Franken Gewinn einfahren. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Probleme der DB merkte Generalsekretär Füglistaler aber an, dass auch die SBB nicht allein aus eigener Kraft zum florierenden Unternehmen wurde: „Wir können nur so erfolgreich sein, weil bei uns die politischen Rahmenbedingungen stimmen.“ So hat in der Schweiz konsequente Bahnpolitik auch viele Arbeitsplätze geschaffen. Während die Deutschen en gros Personal abbauen, werden in der Schweiz händeringend Lokführer gesucht.