One university, happy feminists?

■ ifu 2000: eine Geschichte von Gräben und Freundschaften zwischen Frauen verschiedener Kulturen, von Träumen wissenschaftlicher Reputation auf Kosten der Studentinnen und von erster Praxiserfahrung nach Theorieperfektion

Meine Herr'n – was bin ich neidisch. Meine Damen. Ich will auch ganz viele Frauen aus ganz vielen Ländern kennenlernen und sie anschließend besuchen, so wie Sabine Kurpiers (30, Deutschland) es mir ausmalt: „We will jet around the world!“ So genau will ich es gar nicht wissen. Und frag' dennoch nach. „Was habt ihr euch von der ifu erwartet?“ Immi Kim (Korea) schlägt noch einmal in die gleiche Kerbe: „Meet people. Wann werde ich wieder die Chance haben, so viele Menschen zu treffen? Das ist eine einzigartige Gelegenheit.“

Aber es geht um mehr als um potenzielle Gastgeberinnen für Stationen auf einer Weltreise für die, die es sich leisten können. „Wir lernen voneinander und werden uns unserer kulturellen Differenzen zunehmend bewusst“, sagt Sabine. Einige Frauen haben zum ersten Mal etwas von lesbischen Lebensweisen erfahren und waren anfangs irritiert, weil Homosexualität in ihrem Herkunftsland strafbar ist – und ergo offiziell nicht existiert. Auf der anderen Seite kriegen die Frauen aus den westlichen Ländern, die den Theorie-Test längst mit Bravour bestanden haben, endlich Praxisstunden.

Bindu Panikkar (29, Indien, lebt in Boston) weist darauf hin, dass auch die Vorlesungen und Seminare eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen: „Du hörst so viele neue Dinge und Theorien von Wissenschaftlerinnen, und das Interessante ist, wie die Frauen darauf reagieren, was sie damit machen.“

Das klingt ja erst mal ganz schön. Ist die ifu eine love-parade für Frauen nach dem Motto: One world, happy family – one university, happy feminists?

Eine Studentin, die ungenannt bleiben möchte, wirft den Organisatorinnen vor, auf Kosten der Studentinnen ihre Träume nach wissenschaftlicher Reputation zu verwirklichen: „Wir werden wie Gepäck von einem Ort zum nächsten geschleppt und wie Zoo-Tiere ausgestellt, damit die Universitäten, die Städte und die Wissenschaftlerinnen sich mit ihrer Weltoffenheit und internationalen Bedeutung schmücken können.“ Dabei werde auf die Bedürfnisse der Frauen nach Zeit und Platz für sich selbst keine Rücksicht genommen.

Ohne eine Phase der Eingewöhnung ging es in Hannover gleich richtig ab. Fremde Umgebung, englische Sprache, lauter unbekannte Gesichter und nebenbei Vorlesungen und Seminare rund um die Uhr. „Am Anfang sind wir überall hingerannt, weil wir nichts verpassen wollten“, sagen viele und stimmen darin überein, dass es an jeder selbst läge, wie viel sie sich zumute. Das fiele schwer, weil es sehr viele interessante Veranstaltungen gebe, auch außerhalb der Uni. Nach gerade zwei Wochen hieß es dann wieder Koffer packen und auf nach Bremen, wo der Zeitplan noch straffer war.

Obwohl den Bremerinnen im allgemeinen eine bessere Organisation als der Gesamtleitung in Hannover zugestanden wird, sei die Orientierung auch hier schwierig gewesen. „Du gibst doch Leuten nicht einfach ein Papier in die Hand und zeichnest Linien darauf, anstatt sie herumzuführen?“ wundert sich Nomsa Jajula (69, Südafrika). „But maybe that's the German way of orientation.“ Kritisiert wird auch von vielen Seiten die mangelhafte Kinder-Betreuung.

Michaela Fay (27, Deutschland), Catherine Simpson (Australien, 29) und Sabine vermuten, dass unter anderem die Erschöpfung dazu beigetragen hat, dass die Konflikte erst in Bremen richtig aufgebrochen sind. Da gab es Tage, an denen war die Stimmung so mies, dass ich gar nicht neidisch war, sondern froh, nur als Beobachterin anwesend zu sein. Und abends verschwinden konnte, allerdings mit schlechter Laune.

Als auslösendes Moment wird immer wieder der Film von Birgit Hein, der die Diskussion um „diversity“ (Verschiedenheit) richtig in Gang gebracht hat. Weder der Film selbst noch eine Einführung von Seiten der Veranstalterinnen problematisierte den Zusammenhang zwischen Sex-Tourismus und den offensichtlichen Unterschieden zwischen Frauen der „ersten“ und „dritten“ Welt.

„Das geht nicht alleine um das Ausleben von Sexualität oder um Gefühle. Gefühle werden in einem ökonomischen und politischen Kontext erzeugt“, sagt Immi. Niemand versteht richtig, was der Film auf einer internationalen Frauenuniversität zu suchen hat, die sich auf die Fahnen geschrieben hat, sich mit Rassismen und den eigenen Wurzeln in einer dominanten Kultur mit Kolonial-Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Eurozentrisch sei das Programm sowohl in Hinsicht auf ausgewählte Wissenschaftlerinnen als auch die thematisierten Kulturkreise, findet Bindu. Allerdings macht sie den Organisatorinnen keinen Vorwurf. „Die können auch nicht aus ihrer europäischen Haut und sehen bestimmte Aspekte gar nicht, weil sie ihnen nie ausgesetzt waren.“

Sie ist sich mit Immi darin einig, dass sich der Graben zwischen den Frauen nicht wegreden läßt. „Das ist aber keine Frage eines Problems zwischen zwei Leuten, sondern hat strukturelle Ursachen, mit denen wir uns hier auseinandersetzen können.“

Die wirkliche Auseinandersetzung mit Differenz findet zum größten Teil außerhalb der Veranstaltungen statt. Anna-Katharina Pelkner (39, Deutschland) widerspricht meiner Vermutung, dass es deshalb nur im Privaten möglich wäre, in einen Dialog zu kommen. „Ich würde das nicht 'privat' nennen, weil die Gespräche, die Treffen und Freundschaften genauso zur ifu dazugehören wie die Vorlesungen und genauso wichtig sind.“

Michaela hegt den Verdacht, dass genau dieser Punkt den Bremer Organisatorinnen nicht bewusst war. „Ich habe den Eindruck, die hatten keine wirkliche Idee, was ifu ist und haben einfach eine Konferenz organisiert, ohne zu sehen, mit wem sie es hier zu tun haben, wie verschieden wir sind und dass ifu mehr ist als eine Konferenz, an der lauter Frauen teilnehmen.“

Dennoch wird den Organisatorinnen, allen voran der deutschen Dekanin des Projektbereiches „Körper“, Barbara Duden, eine große Bereitschaft bescheinigt, die Anregungen der Studierenden aufzunehmen, damit ifu sich innerhalb ihrer ersten drei Lebensmonate weiterentwickelt. Eine Frau brachte es in der Plenumsdiskussion ein paar Tage nach der misslungenen Filmvorführung auf den Punkt: „If you don't get lost, you won't find new ways“ Eiken Bruhn