„Ein Teil der Jugendlichen ist zurückzugewinnen“

Thomas Krüger, neuer Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ist gegen schärfere Strafen für jugendliche Rechtsradikale

 taz: Herr Krüger, die Bundeszentrale bietet drei Seminare über China an, keines zum Rechtsradikalismus. Seit 1998 hat das Amt keine Publikation dazu verfasst. Warum nicht?

Thomas Krüger: Ich bin jetzt zwei Wochen hier. In der Nummer 39 der Zeitung Das Parlament werden Praktiker sagen, was man im Umgang mit rechtsextremen Jugendlichen tun kann. In einer Beilage werden sich fünf wissenschaftliche Beiträge dieser Fragestellung widmen. Wir planen einen Fachkongress, parallel zur Bundestagsdebatte im Oktober.

Glauben Sie, dass man Jugendlichen mit Schriften Demokratie schmackhaft machen kann?

Nein, deswegen müssen wir unsere Aktionsfelder verbreitern. Die rechte Subkultur ist eine sehr körperbetonte. Deswegen ist es notwendig, das Medium Sport zu gewinnen. Man muss Plattformen finden, mit diesen Jugendlichen zu arbeiten. Ich finde es zynisch und ignorant, das nur als pathologisches, sicherheitspolitisches Problem zu betrachten. Der Ruf nach Verschärfung des Strafkatalogs, verknüpft mit dem Hinweis auf eine vollständig gescheiterte akzeptierende Jugendarbeit ist ein Schritt zurück. Wir waren schon mal weiter, nämlich die Doppelstrategie, Repression und Prävention miteinander zu verzahnen. Ein Teil der Jugendlichen ist zurückzugewinnen und zu reintegrieren.

Da spricht der ehemalige Jugendsenator. Was kann der Bildungsarbeiter Krüger leisten?

Politische Bildung kann immer nur ergänzend tätig werden. Wir können die Profis aus dem Bildungsbereich methodisch und didaktisch unterstützen. Wir müssen für die Lehrer versiertes pädagogisches Material erarbeiten, damit sie das Thema Rechtsorientierung im Unterricht quer durch den Fächerkanaon problematisieren können. Das ist ein mittelfristiges Projekt von uns.

Viel schlagen Sie nicht vor.

Für die ersten Wochen nicht schlecht. Wir werden lokale Initiativen unterstützen. Manchmal gibt es nur ein, zwei Initiativleute in einem Ort. Die muss man identifizieren. Wir werden uns als Ansprechstelle verstehen und fragen: Was kann euch helfen? Ist es eine Broschüre oder eine wissenschaftliche Publikation oder macht eine Veranstaltung Sinn, um weitere Leute anzusprechen? Man muss sich sehr flexibel auf lokale Netzwerke einlassen.

Das klingt nach dem taz-Slogan: Stärken stärken.

Wir müssen uns den tagespolitischen Herausforderungen stärker stellen und auch unsere Instrumente danach ausrichten. Wir müssen aber auch bei der medialen Vermittlung up to date werden. Im Internet wollen wir tagesaktuell positive Erfahrungen im Umgang mit der Problematik vorstellen. Leute, die sich engagieren, sollen so miteinander in Kontakt kommen. In der Bundeszentrale arbeiten viele kompetente Leute. Man soll bei uns nachfragen können und sich Ratschläge holen, wie man vor Ort mit der Thematik umgehen kann. Aber Rechtsradikalismus wird nicht zum alleinigen Thema der Bundeszentrale werden. INTERVIEW: ANNETTE ROGALLA