bündnisse gegen rechts
: ProbateTherapien

Bündnisse sollen geschlossen werden, „Aktionsbündnisse gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“. Kein Politiker scheut sich in den Tagen anschwellender Empörung vor markigen Worten. Innenminister bitten Bürger, die Polizei per Handy zu verständigen, wenn sie rechte Gewalttäter beim Freizeitprügeln sehen. Ein buntes Bündnis von Politikern aller Parteien fordert ein Verbot der ältesten bundesdeutschen rechtsextremen Partei, der NPD. Wer aus dem Ausland in diesen Tagen nach Deutschland schaut, sieht eine politische Elite, die eifrig nachzuholen versucht, was sie jahrelang versäumte. Binnen weniger Tage kam das Thema Rechtsextremismus auf die Tagesordnung – das ist immerhin etwas.

Kommentarvon ANNETTE ROGALLA

Dass die augenblickliche Aufgeregtheit auch die ein oder andere probate Therapie produziert, ist nicht mehr ausgeschlossen. Der Industrieverband BDI erinnert seine Mitgliedsfirmen daran, dass Arbeitgeber Rechtsradikale nicht unter allen Umständen im Betrieb ertragen müssen. Wer hetzt, stänkert oder Rassismus offen propagiert, dem kann man mit dem Arbeitsrecht, notfalls auch mit der Kündigung beikommen. Das ist nicht erst seit gestern so. Das Bundessozialgericht hat bereits bestätigt, dass eine Kündigung wegen rechtsradikaler Sprüche und Beleidigungen rechtens ist. Insofern ist der BDI-Appell alles andere als mutig.

Es könnte aber eine Offensive in den Betrieben daraus folgen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist darauf hin, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in jedem Betrieb Vereinbarungen abschließen können, mit denen rechtsradikales Treiben geächtet wird. Seit fünf Jahren liegt eine Entschließung zum Thema auf europäischer Ebene vor. Sie analysiert nicht nur die Gefahr von rechts, sondern gibt auch Anregungen, wie in Betrieben Chancengleichheit zwischen Mitarbeitern aus verschiedenen Kulturkreisen zu realisieren ist. Die europäische Absprache ist für Arbeitgeber und Gewerkschaften mühelos umzusetzen. Sie müssten es nur wagen.

Der Ruf nach einem Parteienverbot oder nach verstärkten Strafmaßnahmen gegen Internetnazis ist verständich, aber kaum mehr als ein Herumdoktern an Symptomen. Rechtsradikalismus entsteht in der Mitte der Gesellschaft. Dort muss sich das Netz von Initiativen entwickeln, die den braunen Mief lüften. In den Betrieben können Arbeitgeber und Gewerkschaften den Neonazis die geeigneten Argumente liefern, den Knüppel aus der Hand zu legen.