Lehrerkarussell dreht sich

Etwa 300 Grundschullehrer aus dem Ostteil der Stadt sollen im Westteil arbeiten. Grundschullehrer aus dem Westen sollen auf Ostschulen. Die Schulverwaltung sieht dies als ganz normales Prozedere

von JULIA NAUMANN

Nächstes Schuljahr müssen rund 500 LehrerInnen damit rechnen, an andere Schulen versetzt zu werden. Betroffen sind vor allem GrundschullehrerInnen aus dem Ostteil der Stadt.

300 LehrerInnen sollen aufgrund des Geburtenknicks an Grundschulen in den Westteil gehen. Denn hier fehlen LehrerInnen. Weil aber auch in den Oberschulen LehrerInnen fehlen, nämlich 188, sollen wiederum Lehrkräfte aus Westberliner Grundschulen an Gymnasien, Haupt- und Gesamtschulen im Osten wechseln. Sie haben im Gegensatz zu ihren Ost-KollegInnen durch ihr Studium die Befähigung, auch in der Sekundarstufe 1 (Klasse 7 bis 10) zu unterrichten. Die GrundschullehrerInnen im Ostteil haben häufig weder Abitur noch ein Hochschulstudium und dürfen daher nur in den Klassen 1 bis 4 lehren.

Nach Ansicht des Sprechers der Schulverwaltung, Thomas John, handelt es sich hier nicht um einen „Willkürakt“, sondern um einen „ganz normalen Vorgang“. Die Umsetzung sei freiwillig. Nur wenn sich nicht genügend Lehrkräfte fänden, müsse eine bisher selten beanspruchte Kommission aus Schulaufsicht und Personalrat über die Versetzungen entscheiden. Es wird dann nach sozialen Kriterien entschieden. Eher umgesetzt werden junge LehrerInnen ohne Familienanhang.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),Ulrich Thöne, kritisierte gestern das „Versetzungskarussell“ vor allem deshalb, weil es erst so kurz vor den Sommerferien in Gang komme. In den vergangenen Jahren seien die LehrerInnen bereits im Februar darauf vorbereitet worden. Tatsächlich ist es so, dass einige Lehrkräfte erst Anfang September erfahren, wo er oder sie künftig lehrt. Thöne befürchtet, dass durch die Versetzungen der Grundschullehrer im Westen an Oberschulen die Grundschulen geschwächt werden.

Das sieht auch Heidi Kölling, Rektorin an der Niederlausitz-Grundschule, in Kreuzberg so: „Hier handelt es sich nicht um eine Qualitätssteigerung.“ Zahlenmäßig den Bedarf zu decken heiße nicht, dass es sich um eine pädagogisch sinnvolle Entscheidung handele. Kölling geht davon aus, dass es viele GrundschullehrerInnen gibt, die Interesse hätten, an Oberschulen zu arbeiten. Jedoch brauchten diese mehr Einarbeitungszeit und teilweise auch eine Weiterbildung. „Wer 25 Jahre Englisch nur an der Grundschule gegeben hat, wird auf einem Gymnasium erst mal Zeit brauchen“, ist sie überzeugt.

Der Kreuzberger Elternausschuss macht sich Sorgen um die nichtdeutschen Schüler. In einem Brief an Schulsenator Klaus Böger (SPD) bittet er darum, keine Pädagogen umzusetzen, die sich in den Innenstadtbezirken um diese Kinder kümmern.

Bis zum Schuljahr 2004/5 sollen aufgrund des Geburtenrückgangs 44 Schulen geschlossen werden, bis 2010 sollen es insgesamt 67 sein.