Sex-Arbeit – für die Staatskasse

■ Immer mehr Prostituierte aus Osteuropa werden in Bremen aufgegriffen und abgeschoben / Ihre Situation ist auch in der Abschiebehaft miserabel / Verdienst fließt in die Staatskasse

„Prostitutionstouristinnen“ – so nennt der Senat verniedlichend Frauen, die mit einem Touristenvisum nach Deutschland einreisen, um hier für ein paar Zehnmarkscheine am Tag ihre Körper zu verkaufen. Und immer mehr werden in Bremen erwischt: Wurden 1998 noch 26 von ihnen von der Ausländerbehörde abgeschoben, waren es 1999 schon 49. Bis Mitte April diesen Jahres wurden bereits 27 Frauen in ihre Herkunftsländer expediert – nach polizeilichen Angaben das Ergebnis verschärfter Kontrollen und gestiegener Einreisezahlen.

Doch auch in der Zeit während und nach ihrer Verhaftung wird den Frauen, die häufig aus Osteuropa stammen, übel mitgespielt – so zumindest die Kritik von Ghislaine Valter, die als Mitglied der Gruppe „grenzenLOS“ jede Woche Menschen in Abschiebehaft besucht. Dort hätten ihr Frauen berichtet, dass bei ihrer Festnahme durch „Test-Freier“ weder weibliche Beamte noch DolmetscherInnen anwesend gewesen seien. Valter will überdies von einem Fall erfahren haben, in dem eine junge Frau abgeschoben wurde, ohne ihre bereits begonnene Syphillis-Therapie beenden zu können. Vor allem aber kritisiert sie die Praxis, die „Modell-Wohnungen“ zu durchsuchen und Wertsachen als Beweismittel zu beschlagnahmen. Ergebnis: Die Frauen kommen vollkommen mittellos in Abschiebehaft.

Dass dieses Verfahren gängig ist, geht auch aus der Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Grünen hervor. Dort heißt es, dass die Frauen „Sicherstellungsbescheinigungen“ oder „Beschlagnahmungsprotokolle“ bekommen würden. Im weiteren Verlauf entscheide die Staatsanwaltschaft „am Einzelfall orientiert“, ob Bargeld, Handys und anderer Besitz aus illegaler Beschäftigung stammen – oder bereits mitgebracht wurden.

Doch das ist gar nicht so einfach: „Bevor wir die Akten auf dem Tisch haben, sind die Frauen schon abgeschoben. Das geht blitzschnell“, so eine Staatsanwältin. Immerhin: Es wird ein „Zustellungsbevollmächtigter“ ernannt, der sich darum kümmern soll, dass die Frauen auch nach ihrer Abschiebung ihren Besitz wiedersehen. Was ihre Familien zur unerwarteten Behördenpost aus Deutschland sagen, ist nicht überliefert. Fest steht: Einbehaltene Gelder fließen in die Staatskasse.

„Die Frauen sind von vorn bis hinten angeschissen“, meint Ghislaine Valter. Sitzen sie erst ohne Hab und Gut im Knast, spendiert ihnen die Ausländerbehörde – vielleicht – einen Betrag zwischen 50 und 200 Mark – wie anderen Abschiebehäftlingen auch. Hier wird geknausert, ist Valters Erfahrung. Innenressortsprecher Hartmut Spiesecke erläutert: Die Frauen sollen sich etwas zu essen kaufen und bis zu ihrer Familie weiterreisen können. Aber: „Wir schieben nicht ab, um die wirtschaftliche Lage einer Person zu verbessern“.

Um die Situation der „Prostitutions-Touristinnen“ – die übrigens nur einen Teil der illegalen Prostituierten in Bremen darstellen – insgesamt zu verbessern, bedarf es für sie dringend einer Interessenvertretung. Die Grenzen sind fließend zur Zwangsprostitution, dazu kommt der organisierte Frauenhandel. Für diese Prostituierten existiert bisher noch keine spezielle Beratungseinrichtung, und damit sei Bremen das Schlusslicht aller deutschen Bundesländer, sagt die Frauenbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche, Jutta Schmidt. Die Polizei ist ihrer Meinung nach vollkommen überfordert.

Immerhin: Seit einiger Zeit gibt es in Bremen eine Arbeitsgemeinschaft zum Thema, an der auch die Behörden beteiligt sind. Und die evangelische Kirche hat jetzt einen finanziellen Zuschuss für eine mögliche Beratungseinrichtung beschlossen. hase