Linke melden Radcke ab

Die Chancen für Renate Künast und Fritz Kuhn auf den Parteivorsitz der Bündnisgrünen steigen: Linke Parteimitglieder wollen statt der bisherigen Sprecherin Radcke jetzt Künast unterstützen

BERLIN taz ■ Fritz Kuhn und Renate Künast sind ihrem Ziel näher gekommen, im Doppelpack als Vorsitzende der Grünen gewählt zu werden. Vierzig führende Parteilinke haben sich für die Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Künast, und gegen die amtierende Vorsitzende Antje Radcke ausgesprochen. Beide Kandidatinnen gehören dem linken Flügel an.

Trotz dieser Vorentscheidung hält Radcke das Rennen aber für „absolut offen“. „Ich stelle mich dem Votum der ganzen Partei“, sagte sie gestern zur taz: „Ich laufe nicht mit dem Präsentkorb von Flügel zu Flügel.“ Der linke Bundestagsabgeordnete Christian Simmert bekräftigte gestern am Rande des grünen Länderrates das Votum der Linken für Künast. Auf dem Treffen in Kassel, an dem unter anderen Christian Ströbele, Claudia Roth und Annelie Buntenbach teilnahmen, sei es zwar zu keiner formalen Abstimmung gekommen. Aber nach vier Stunden habe sich gezeigt, dass Renate Künast die größte Unterstützung erhält. „Sie ist keine linke Frontfrau, aber sie fährt einen klaren politischen Kurs“, sagte Simmert. Die Grünen müssten die soziale Frage parteiisch beantworten. Hier habe sich Künast im Berliner Landesverband klar positioniert. Auch in der Energiepolitik erhoffen sich die Linken von Künast ein deutlicheres Profil gegenüber der Regierungspolitik.

Antje Radcke wies diese Kritik gestern zurück: „Wir mussten ein Jahr lang nur Krisenmanagement machen, um die Partei zusammenzuhalten, und dann hat man uns die Strukturdebatte aufgedrückt.“ In ihrer Rede auf dem Kleinen Parteitag der Grünen am Wochenende in Berlin verlangte Radcke von ihrer Partei mehr Selbstbewusstsein. Nur so könnten sich die Grünen aus der „babylonischen Gefangenschaft“ der SPD befreien. Am Ende des Treffens erklärte sie, die Grünen hätten Geschlossenheit gezeigt.

Tatsächlich bekräftigte die Partei ihre Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht. Auslandseinsätze knüpfen die Grünen künftig an klare Bedingungen: Einsätze ohne UN-Mandat, wie im Kosovokrieg, sollen nicht mehr erlaubt sein. Für solche mit Mandat soll eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages nötig sein. Die Grünen wandten sich strikt dagegen, das Kosovo unter den dort lebenden Nationalitäten aufzuteilen.

Umweltminister Jürgen Trittin warnte seine Partei davor, sich auf die Rolle des Bremsers reduzieren zu lassen. Andererseits wäre der Transrapid ohne die Grünen nicht gestoppt worden, und „statt 20 hätten wir 40 stillzulegende Atomkraftwerke“. Die Art, wie Ministerpräsident Clement bei den Koalitionsverhandlungen in Düsseldorf versuche, „die Grünen zu mobben“, sei schlecht für Rot-Grün im Bund. „Einen Koalitionsvertrag als Kapitulationsurkunde werden wir nicht unterschreiben“ rief der Chef der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks.

Gestern nahmen SPD und Grüne in Düsseldorf ihre Koalitionsgespräche wieder auf. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Rezzo Schlauch, bestätigte gegenüber der taz, dass sich das Verhandlungsklima verbessert habe: „Die Sozialdemokraten haben ihre demonstrative Koketterie Richtung Möllemann eingestellt.“ TINA STADLMAYER

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