Abschließender Wegweiser

Gedenkstein zum Lübecker Brandanschlag wird heute errichtet. Einer der Überlebenden ist immer noch von Abschiebung bedroht  ■ Von Elke Spanner

Einen wirklichen Abschluss, sagt Holger Walter, kann es nicht geben. Nicht, solange sich die Täter auf freiem Fuß befinden. Aber unter die eigene Arbeit zum Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße wird der „Runde Tisch“ einen vorläufigen Schlussstrich ziehen, fügt Walter hinzu. Er war Referent von Michael Bouteiller (SPD), als dieser noch als Bürgermeister in Lübeck amtierte und den „Runden Tisch“ initiierte. Heute wird das Gremium einen Gedenkstein an dem Ort aufstellen, wo am 19. Januar 1996 zehn Menschen starben.

„Sie waren nach Deutschland gekommen, um hier Schutz zu finden“, heißt es darauf, und: „Der Tod der Opfer und das Leid der Hinterbliebenen mahnen uns, für die Rechte und die Sicherheit von Flüchtlingen einzutreten.“ Nach den damaligen Tätern sucht niemand mehr. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungsakten geschlossen.

Christoph Kleine vom „Runden Tisch“ fürchtet, dass nicht nur für die Ermittler, sondern auch für die Öffentlichkeit der Tod der Flüchtlinge kein Thema mehr ist, „ob man den Stein nun hinstellt oder nicht“. Ohne Gedenkstätte aber wäre die Sache nicht nur vorbei, sondern auch vergessen. Mit dem Stein erkläre sich die Stadt Lübeck immerhin zum Umgang mit Flüchtlingen, „das ist ein großer Schritt“.

Zwei Jahre hat es gedauert, bis der getan werden konnte. So lange diskutierten die TeilnehmerInnen des Runden Tisches über die Inschrift, die der Stein tragen soll. Am 19. Januar diesen Jahres sollte er auf dem Gelände der inzwischen abgerissenen Ruine aufgestellt werden. Damals war er zusätzlich zum jetzigen Text mit den Namen der zehn Toten versehen. Der Zairer Jean-Daniel Makodila jedoch, der bei dem Feuer seine ganze Familie verloren hatte, sprach sich dagegen aus, die Namen seiner Frau und der Kinder dort zu verewigen. Daraufhin wurde die Gedenkfeier verschoben und die Seite des Steines wieder glatt geschliffen.

Ob die Mahnung nur ein Bekenntnis bleibt oder Wegweiser der eigenen Politik wird, wird die Stadt Lübeck an ihrem Umgang mit Flüchtlingen messen lassen müssen. Eine erste Bewährungsprobe steht unmittelbar bevor: Im Frühjahr vorigen Jahres hatte Innenminister Otto Schily (SPD) den Überlebenden des Hafenstraßen-Brandes ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zuerkannt. Das menschliche Mitgefühl reichte allerdings nicht mehr für Victor Atoe. Der Nigerianer war direkt nach dem Brand abgeschoben worden. Nach Schilys Verfügung reiste er wieder ein. Statt auch ihm ein Aufenthaltspapier auszustellen, nahm die Lübecker Ausländerbehörde ihn in Abschiebehaft. Zwar sitzt er mittlerweile nicht mehr im Knast, hat aber bloß eine befristete Duldung – und muss jederzeit damit rechnen, aus Deutschland ausgewiesen zu werden. Auch Atoe hatte in der Hafenstraße geschlafen, als das Feuer ausbrach, und war schwer verletzt worden.