Unter vier Millionen

Die Regierung jubelt über die neue Arbeitslosenzahlen: Die Erwerbslosenquote lag Ende April bei 9,8 Prozent. Doch im Osten ist weiter keine Besserung in Sicht

NÜRNBERG taz ■ „Die sieben mageren Jahre seit 1993 sind vorbei.“ Ob nun die sieben fetten Jahre folgen werden, wollte Bernhard Jagoda, Chef der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit, gestern nicht prophezeien. Eines ist für ihn jedoch klar: „Der konjunkturelle Aufschwung gewinnt an Stärke und Breite.“

Die Folgen lassen sich an den aktuellen Zahlen ablesen: Die Beschäftigung ist laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden spürbar gewachsen, mit 35,6 Millionen liegt sie um 70.000 über den Vorjahreswerten. Und die Arbeitslosenzahlen gehen nach unten: 3.986.355 Arbeitslose Ende April bedeuten nicht nur den niedrigsten Stand in einem April seit 1996, sondern auch 154.600 Erwerbslose weniger als noch im März und 159.000 weniger als im Vorjahr.

Kein Wunder, dass die Bundesregierung die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt als Erfolg ihrer Politik verkauft. Arbeitsminister Walter Riester sieht die rot-grüne Regierung „auf dem besten Weg“, ihr Versprechen nach einer merklichen Senkung der Arbeitslosenzahlen einzulösen. Bundeskanzler Gerhard Schröder will, angespornt von der aktuellen Entwicklung, die Zahl der Erwerbslosen bis Ende 2001 gar „unter 3,5 Millionen drücken“.

Der Chef der Bundesanstalt ist da – nicht nur von Berufs wegen – etwas zurückhaltender. CDU-Mann Jagoda macht das sinkende Kräfteangebot aufgrund der demografischen Entwicklung und „weltwirtschaftlich günstige Bedingungen“ für das Sinken der Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Dass die aktuelle Arbeitslosenquote mit 9,8 Prozent knapp unter die 10-Prozent-Marke gerutscht ist, ist tatsächlich nur zur einen Hälfte Ausdruck der verbesserten Arbeitsmarktsituation. Zur anderen Hälfte beruht dies auf einer Neuberechnung der Bezugsbasis der Quote.

Aufgrund der gesetzlich veränderten Meldepflicht musste die Zahl der geringfügig Beschäftigten mit 3,65 Millionen etwa doppelt so hoch ausgewiesen werden wie ein Jahr zuvor. Dementsprechend stieg die Zahl aller zivilen Erwerbspersonen, und der prozentuale Anteil der Arbeitslosen verringerte sich. So liegt die Quote im Westen nun bei lange Zeit unerreichten 7,9 Prozent (2,59 Mio Arbeitslose), in den neuen Bundesländern bei 17,8 Prozent (1,4 Mio.).

Diese Quoten zeigen, dass der Arbeitsmarkt nach wie vor in Ost und West gespalten ist. Während die Wirtschaft in den alten Ländern boomt, bewegt sich in den neuen Ländern relativ wenig. Die Arbeitslosigkeit liegt dort noch immer um 54.700 über den Vorjahreswerten. Zur Stärkung des ostdeutschen Arbeitsmarkts fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund „weitere Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“.BERND SIEGLER