Taschengeld ade

Haftstrafen im Schmiergeldprozess ums Bayerische Rote Kreuz. Millionen weiter verschwunden

MÜNCHEN taz ■ Als er vor knapp vier Monaten zum ersten Mal im Gerichtssaal B 175 des Landgerichts München stand, hielt sich Adolf Vogt noch für unschuldig. Keinesfalls habe er als Geschäftsführer des Blutspendedienstes des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) 2,5 Millionen Mark Schmiergeld kassiert. Und erst recht keine überhöhten Zuliefererpreise als Gegenleistung akzeptiert und damit dem BRK einen Schaden von gut 17 Millionen Mark zugefügt. Vor der gestrigen Urteilsverkündung bat er die Richter der Wirtschaftsstrafkammer dann aber doch „von ganzem Herzen um Gnade“.

Tatsächlich blieb das Gericht weit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft: fünf Jahre und zehn Monate Haft für Vogt und vier Jahre und zehn Monate für den Mitangeklagten, BRK-Geschäftsführer Heinrich Hiedl.

In ihrem Urteil folgten die Richter weitgehend der Argumentation der Verteidigung, die für Vogt ein mildes Strafmaß und für Hiedl Freispruch gefordert hatte. Beide seien keine Amtsträger gewesen, und nur die hätten vor der Änderung des Strafgesetzbuches 1997 bestochen werden können, hatten die Anwälte geltend gemacht.

Das Gericht erkannte denn auch allein auf Untreue, Steuerhinterziehung und Angestellten-Bestechlichkeit. Diese konnte jedoch bis 1997 höchstens mit einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden und verjährte zudem binnen drei Jahren. Manager der Zulieferfirmen hatten Vogt und Hiedl vor Gericht schwer belastet. Angesichts der erdrückenden Beweislast hatten die Angeklagten gestanden, einen Teil des Geldes angenommen zu haben. Doch wo die verschwundenen Millionen geblieben sind, verrieten die beiden nicht.

Die Staatsanwaltschaft konnte denn auch weder Reue noch Kooperationsbereitschaft erkennen und hatte auf neun Jahre Haft für Vogt und acht Jahre für Hiedl plädiert.

Sie hat nun eine Woche Zeit, um Revision zu beantragen. Vogts Verteidiger Hanns Jürgen von den Steinen ist dennoch zufrieden: „Wir haben erreicht, was möglich war.“

Seit November 1998 sitzt Vogt in Untersuchungshaft, Hiedl folgte im Februar 1999. Beide hatten beste Kontakte zur CSU – Hiedl kam gar auf Empfehlung von Ministerpräsident Alfons Goppel zum BRK. Nun klagte Hiedl in der Boulevardpresse, dass man ihm sogar das Taschengeld im Gefängnis gepfändet habe.

Mehr Sorgen dürfte ihm allerdings bald der Zivilprozess bereiten. Mit ihrer Forderung nach Vermögensverfall ist die Staatsanwaltschaft zwar nicht durchgekommen, sodass Vogt und Hiedl die Millionen nicht an den Staat zurückzahlen müssen. Doch das BRK fordert vier Millionen Mark Entschädigung.

KONRAD LISCHKA