Malaysias Weg zum Polizeistaat

Die Regierung in Kuala Lumpur setzt auf Schlagstock und Wasserwerfer. Spontane Versammlungen sind verboten. Polizei stürmt auch Moscheen

aus Bangkok JUTTA LIETSCH

„Wir leben in düsteren Zeiten“, klagte die malaysische Oppositionspolitikerin Wan Azizah Wan Ismail gestern in Kuala Lumpur: „Wir haben das Recht verloren, uns friedlich zu versammeln.“ Damit reagierte die Chefin der Nationalen Gerechtigkeitspartei auf das harte Vorgehen der Polizei, die am Samstag mit Schlagstöcken und Wasserwerfern gegen eine Kundgebung in der malaysischen Hauptstadt vorgegangen war. Rund fünfzig Personen wurden festgenommen.

Etwa hundert Anhänger des früheren malaysischen Vizepräsidenten Anwar Ibrahim hatten sich in der zentralen Moschee von Kuala Lumpur eingefunden, um gegen seine Verurteilung vor einem Jahr zu protestieren. Als die Demonstranten „Gott ist groß!“ und „Reformasi!“ riefen, drangen die Polizisten in die Moschee ein.

Anwar, Ehemann von Wan Azizah, war 1998 aus dem Amt entlassen, kurz danach verhaftet und im April 1999 in einem umstrittenen Verfahren wegen Amtsmissbrauchs mit sechs Jahren Gefängnis bestraft worden.

Was als friedliche Prozession geplant war, endete mit einer Straßenschlacht, die sich am Nachmittag im Geschäftszentrum der Stadt fortsetzte, in dem sich erneut rund 500 Anwar-Anhänger versammelten. Die Behörden hatten bereits in den Tagen zuvor führende Oppositionspolitiker verhaftet und Bahnhöfe und Zufahrtstraßen scharf kontrolliert.

Der neue Vizepremierminister Ahmad Badawi reagierte kühl auf den Vorwurf von Oppositionellen, Malaysia werde immer mehr zum „Polizeistaat“: „Die Polizei hat gehandelt, wie es die Situation erforderte“, sagte er.

Viele Malaysier sind besonders erzürnt darüber, dass die Polizisten in die Moscheen stürmten. Dies zeige nur, dass die Regierung die Religion missachte. Empört über die Behandlung Anwars, der sich einst als radikaler muslimischer Studentenführer einen Namen gemacht hatte, sind seit 1998 viele seiner Anhänger zur islamistischen PAS-Partei übergewechselt. Für Premier Mahathir sind die politisch aktiven Muslime daher inzwischen gefährlicher als die sekuläre Gerechtigkeitspartei von Anwars Frau.

Die Verhaftungswelle am Wochenende zeigt, wie besorgt die Regierung auf jedes Anzeichen von organisiertem Widerstand reagiert. Da hilft es nichts, dass Mahathir und seine regierende Parteienkoalition Nationale Front (Barisan Nasional) bei den Wahlen im vergangenen November ihre Dreiviertelmehrheit im Parlament halten konnten. Im Gegenteil: Der Druck wächst. Inzwischen haben die Behörden zum Beispiel oppositionelle Zeitungen geschlossen oder ihre Verbreitung stark eingeschränkt.

Seit März sind in Kuala Lumpur alle unangemeldeten öffentlichen Zusammenkünfte verboten, an denen mehr als vier Personen teilnehmen.

Zudem laufen gegen mehrere prominente Kritiker derzeit Klagen, weil sie es zum Beispiel gewagt hatten, über den Filz von Politik und gewissen malaysischen Unternehmen zu berichten. Ihnen drohen Gefängnis- oder möglicherweise ruinöse Geldstrafen.