Kaum unabhängige Informationen

■ Britische Organisatoren bescheinigen nationalem Brustkrebs-Screening hohe Qualität / Fachfrau sieht das im taz-Interview anders

In Großbritannien gibt es seit über zehn Jahren Brustkrebs-Screening-Programme. Man sollte annehmen, dass die mittlerweile gut eingespielt und alle Anlaufprobleme bewältigt sind. Aber ganz so ist das offensichtlich nicht. So berichtete Dr. Angela Coulter, die am Picker Institute Europe in Oxford über patientenzentrierte Versorgung arbeitet, anlässlich eines Expertenforums zum Brustkrebs-Screening vergangene Woche in Bremen, dass es in England an Informationen fehlt, anhand derer Frauen eine „informierte Entscheidung“ darüber treffen können, ob sie am Mammografie-Screening teilnehmen – oder nicht. Über ihre Hintergründe und Erfahrungen sprach die taz mit Angela Coulter. Nur eine Woche zuvor hatten Bremer Frauen die Zusammenarbeit mit der Kölner Planungsstelle Mammographie-Screening öffentlich kritisiert – weil sie fürchten, dass unter anderem eine unabhängige Frauenberatung zur geplanten Reihenuntersuchung am Ende nicht finanziert wird.

taz: Frau Coulter, Sie sind Fachfrau einerseits und Betroffene andererseits, nachdem Sie als 51-Jährige kürzlich eine Einladung zur Mammographie-Reihenuntersuchung in Oxford bekamen. In Bremen kritisierten Sie, dass Sie nicht genügend Informationen bekommen hätten, um sich vorab über die Untersuchung zu informieren. Was fehlte Ihnen?

Angela Coulter: Meine wesentlichen Fragen wurden nicht beantwortet. Zwar beruhigte mich die Einladung. Auch stand darin, wann ich wohin kommen und wie ich mich für die Untersuchung passend anziehen sollte und so weiter – aber ich erfuhr nichts über den Zweck des Screenings oder darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit ich ein falsch-negatives oder falsch-positives Ergebnis bekommen könnte. Es sagte auch nichts über andere Risiken oder Vorteile des Screenings. Ich erfuhr ebensowenig, ob weitere Untersuchungen nötig werden könnten – und was das bedeuten würde. Ich erfuhr nichts über Beratung oder andere unterstützende Angebote.

Warum waren Ihnen solche Informationen wichtig?

Es gibt schon lange Diskussionen über mögliche Nachteile von Brustkrebs-Screening – und ich wollte einfach eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob ich gehen sollte oder nicht. Außerdem weiß ich, dass die Untersuchung nicht gerade bequem ist.

Wie haben Sie schließlich die Informationen gefunden, die Ihnen wichtig sind?

Ich habe mich zu Hause an den Computer gesetzt und im Internet nach Informationen gesucht. Aber sogar da war es schwierig, verlässliche Informationen zu finden. Was ich fand, wäre wohl für viele Frauen völlig unverständlich.

Warum sind solche Informationen so schwer erhältlich?

Ich meine, dass es grundsätzlich für alle medizinischen Bereiche gleichermaßen schwierig ist, Informationen zu finden. Die wenigsten Forschungsergebnisse oder Umfragen – die ich ja gebraucht hätte – sind für Patienten gemacht. Was Brustkrebs-Screening betrifft, gibt es aber ein besonderes Problem: Der Nachweis, dass die Früherkennung selbst kleinster Tumoren die Sterblichkeit an Brustkrebs senkt, lässt sich nämlich nur führen, wenn eine hohe Zahl von Frauen am Screening teilnimmt. Ich glaube, dass diejenigen, die das Screening organisieren, deshalb reichlich nervös werden, sobald sie ehrlich über Risiken zu informieren oder grundsätzlich Informationen zum Abwägen zu geben haben.

Überraschend war, dass noch kurz vor Ihrem Vortrag in Bremen eine der für das Qualitätsmanagement zuständigen Engländerinnen darauf hinwies, dass Qualitäts-Standards auch bedeuten, dass Einladungen zum Screening beispielsweise sorgfältig verfasst werden. Dann kommen Sie und beklagen Mangel an Information. Wie kann es solche Mängel in einem langjährigen Programm geben, ohne dass Frauen oder Frauenorganisationen schon lange protestieren?

Ich glaube, in Großbritannien waren viele Frauen außerordentlich dankbar dafür, dass das Screening eingeführt wurde. Man wusste, es könnte Leben retten. Deshalb haben viele wohl ihre Kritik lieber zurückgehalten. Aber mittlerweile verlangen Patienten mehr Informationen – und zwar in allen Gesundheitsbereichen. Der Punkt ist: Um gute Informationen bereitzustellen, muss man auch Zugang zu guten Quellen haben – und man muss investieren. Dazu sind viele Länder nicht bereit.

Sie sind mittlerweile doch zu Ihrem Screening-Termin gegangen. Warum haben Sie sich letztlich dafür entschieden?

Ich glaube, dass das Screening mir mehr Vorteile als Nachteile bietet. Deshalb bin ich gegangen, und darüber bin ich froh. Es könnte natürlich sein, dass ich darüber anders denke, wenn ich erst das Ergebnis habe.

Das Picker Institute Europe, das Sie leiten, beschäftigt sich mit patientenzentrierter Versorgung. Sind Sie zuversichtlich, dass die Informationspolitik zum Brustkrebs-Screening sich ändern wird?

Ja. Grundsätzlich ist es so, dass wir mit Gesundheitsversorgern zusammenarbeiten, wenn es darum geht, Patientenbedürfnisse einzubringen, wenn beispielsweise Informationen entwickelt werden, aber auch wenn es um Leistungen ganz allgemein geht. Was das Brustkrebs-Screening betrifft, hat die Regierung mittlerweile eine Zahl neuer Initiativen gestartet. Die umfassen auch Beratungstelefone und Internetseiten für Patienten. Das sind gute Schritte nach vorne. Aber das alles beginnt gerade erst.

Fragen: Eva Rhode