Schuldenfrei ohne Bedingung?

Welches Dritte-Welt-Land würde an eine Kreditnahme die Bedingung knüpfen, dass die CDU ihre Spendenaffäre aufklärt, fragen STEPHAN GÜNTHER und JOCHEN MÜLLER.

Die Forderung nach Entschuldung vieler Staaten der Dritten Welt basiert auf der Einschätzung, nach der diese Schulden illegitim sind und deshalb nicht zurückgezahlt werden müssen. In diesem Fall sind Bedingungen für eine Entschuldung genauso illegitim wie die Schulden selbst.

Bei der Betonung der Illegitimität der Schulden sind zwei Aspekte von entscheidender Bedeutung. Erstens muss die Zuständigkeit der Nachfolgeregierungen ehemaliger „Schurkenstaaten“ für die Rückzahlung alter Schulden in Frage gestellt werden. Prominentestes Beispiel: Südafrika. Dort kritisieren NGOs die Übernahme der Staatsschulden des Apartheidregimes durch die ANC-Regierung. Schon 1973 hatte die UNO die Apartheid als „Verbrechen gegen die Menschheit“ und finanzielle Unterstützung als Komplizenschaft bezeichnet. Und die Banken – vor allem Schweizer und deutsche – verdienten gut an der Apartheid. 1980 bis 1993 flossen 41,5 Milliarden Dollar in Form von Renditen und Zinsen an sie zurück. Ähnliches gilt für Chile, Argentinien, die Philippinen oder Indonesien.

Zweitens hat das internationale Finanz- und Zinssystem viele Länder in eine Schuldenspirale getrieben. Kredite sind in Form von Zins- und Zinseszinszahlungen bereits mehrfach zurückgezahlt worden. Das Modell der „nachholenden Entwicklung“ stellte vielen Staaten der Dritten Welt einen Anschluss an den kapitalistischen Weltmarkt in Aussicht. Die dazu notwendigen Investitionen brachten jedoch nicht die erhofften Gewinne, um auch nur die Kredite zurückzuzahlen. Neue Kredite wurden aufgenommen, um alte Bankenforderungen zu begleichen. Jubilee-South-Vertreter wie der Erzbischof von Kapstadt, Njongonkulu Ndungane, lehnen eine Rückzahlung daher kategorisch ab. Die vom Internationalen Währungfonds gestartete Initiative für hoch verschuldete arme Länder (HIPC) sei, so Ndungane, „von den Kreditoren entworfen und kontrolliert worden und soll die betroffenen Länder in ‚gute Schuldner‘ verwandeln, sie wieder zahlungsfähig machen“. Sein Bischofskollege aus Mosambik, Bernadino Mandlate, geht noch weiter: „Unser Konzept von Jubilee umfasst im Sinne ökonomischer Gerechtigkeit weit mehr als Schuldenstreichung, nämlich Modelle der Restauration und Reparation.“ Erst das ungerechte Weltwirtschaftsystem, das noch auf Abhängigkeiten aus dem Kolonialismus basiere, habe zur Verschuldung geführt.

Wie können also illegitime Schuldenforderungen als Hebel verwandt werden, um die Schuldnerländer zu politischen Maßnahmen zu zwingen? Natürlich wäre es wünschenswert, wenn etwa Rüstungsausgaben zugunsten eines besseren Gesundheitssystems reduziert würden. Aber das wäre es auch hierzulande. Worauf basiert also das Recht, solches von anderen zu fordern? Der Kompromissvorschlag, die Regierungen sollten die gestrichenen Schulden in Gegenwertfonds einzahlen, auf die dann allein NGOs Zugriff hätten, klingt sympathischer – und ist es auch. Aber auch sie tun so, als hätten sie selbst etwas zu vergeben, und maßen sich an, anderswo eigene politische Prioritäten durchzusetzen. Damit wird das Muster der ungleichen Machtverhältnisse zwischen Nord und Süd reproduziert. Außerdem laufen Bedingungen auf die Forderung nach einer Good Governance in den Staaten der Dritten Welt hinaus. Damit wird gerne Armut und Elend im Süden auf endogene Ursachen reduziert.

Die Erlassjahrkampagne sollte eine bedingungslose Schuldenstreichung fordern und sich dafür einsetzen, dass NGOs und Oppositionsbewegungen in Staaten des Südens unterstützt werden. Aber solche Forderungen treffen bei der deutschen staatlichen Entwicklungspolitik auf offene Ohren und leere Töpfe.

Stephan Günther und Jochen Müller sind Redakteure der nord-süd-politischen Zeitschrift „iz3 (informationszentrum dritte welt“) www.iz3w.org

Hinweis:

KEINE BEDINGUNGEN AN SCHULDENERLASS KNÜPFEN

Bei der Vergabe von Krediten wurden keine politischen Forderungen gestellt, warum dann beim Schuldenerlass?