Lohnende Lebensleistung

Wie Dr. Helmut Kohl doch noch den Preis aller Preise gewinnen könnte

Die Wissenschaft erhofft sich von der Kohlschen Marsmission wertvolle Erkenntnisse darüber, wie der Pfälzer Magen die Schwerelosigkeit verträgt

Sie sind noch jung, relativ unschuldig, nicht mehr vollzählig und doch schon Lebens-Omas: Bei der diesjährigen Verleihung der Brit Awards wurden die „Spice Girls“ mit einem Sonderpreis für ihre Lebensleistung bedacht. Hut ab, Respekt! Auch Hildegard Knef strich neulich einen „Echo“ für ihre Lebensleistung ein. Rosen für die Staatsdiseuse! Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Rainer Eppelmann, fordert nachdrücklich, die Rente müsse „Spiegelbild der Lebensleistung“ bleiben; Lothar Matthäus meint, der FC Bayern habe sich auf ewig seiner „Lebensleistung“ zu erinnern; und der Volksschauspieler Harrison Ford freute sich unlängst vom Pferd für seine Lebensleistungsehrung („Life Achievement Award“) durch das Amerikanische Film-Institut. Man sieht: Lebensleistung ist gerade in. Lebensleistung zählt.

Doch einer fällt ausgerechnet zu seinem 70. aus der Rolle: Dr. Helmut Kohl. Was war zum Jubelfest zu erwarten? Lebensleistungen satt? Pustekuchen! Viel ist da wahrlich nicht zu holen: 1946 Gründung des Ludwigshafener Ortsverbands der Jungen Union; 1976 erfand er die „Freiheit statt Sozialismus“-Hornbrille; auch die „Weiter so, Deutschland!“-Aufschwung-Achtziger konnten wir uns nur dank eines kuriosen Dollar-Kurses und purzelnder Ölpreise leisten, das sind die margarineharten Fakten. Er wiederholte Silvester-Ansprachen, verwechselte Goebbels mit Gorbatschow, das ist schon alles. An keiner Lebensstelle irgendeine Topleistung! Bis auf vielleicht eine: 16 Jahre lang hielt er uns die vaterlandslosen Gesellen vom Halse; 1994 verhinderte er, dass Rübe Scharping Oberförster werden und „mit Köpfen Fußball spielen“ konnte.

Wie aber könnte Dr. Helmut Kohl, the artist formerly known as Kanzler (Tafkak), seine alles in allem doch sehr geringfügige Lebensleistung aufpolieren? Zunächst sollte Dr. Kohl etwas für die Öffentlichkeit tun und sich zum Unwort des Jahres 2000 erklären. 2002 muss dann eine „Aktion Mensch Kohl“ her – für die „Opfer der Opfer“ des Anti-CDU-Terrors. Im Beirat vertreten wären: Peter Hintze, Henry Maske, Uschi Glas und – nicht zu vergessen – Bärbel Bohley. Dabei geht es vor allem darum, die „CDU in unseren Köpfen“ abzutragen, unter dem Motto: „Ich habe einen Fehler gemacht, aber nicht gegen das Grundgesetz verstoßen.“ Dann sollte Dr. Kohl ab spätestens 2003 als Testpanzer der zu gründenden U-CDU durch das Brandenburger Tor rumpeln. Als Testbild bei Viva 2 würde er ein weiteres Betätigungsfeld finden, das gerade die Jugend anspricht. 2005 steht dann die erste bemannte Mars-Mission ins Mond-Haus, mit Fanta Mango, Spritzgebäck, „Schweinkram superstrong“ und dem Astro-Attacker Helmut Kohl himself. Die Wissenschaft erhofft sich wertvolle Erkenntnisse darüber, wie ein Pfälzer Magen die Bedingungen der Schwerelosigkeit verträgt. 2006 folgte dann die verdiente Ehrendoktorwürde der Berti-Vogts-Stiftung und schließlich im Jahre 2010 der umjubelte Relaunch Dr. Kohls als österreichischer Stoiber. Vielen Dank bis hierhin.

Also, Leute, wenn er das „hinbekommt“ (Franz Müntefering), dann ist Dr. Kohl wirklich reif für den Brit- oder Lebensleistungs-Award. Den Preis aller Preise. Dann überwiegen eindeutig die guten Seiten. Auch andere große Staatsmänner haben schließlich „Dreck am Stecken“! Nur eine Sache, die ist wirklich schlimm, die hätte er nie tun dürfen, und das kann er wohl nicht mehr gutmachen: das mit der deutschen Einheit. Das war nicht in Ordnung, eine Riesensauerei, die die fürderhin sicherlich hochgradig respektable und geradezu erigierende Lebensleistung Dr. Helmut Kohls leider auf ewig verdüstern wird. GERALD FRICKE