Nie mehr im Trüben fischen

Lange Zeit haben die Bündnisgrünen nach neuen Aufgaben in der Opposition gesucht. Jetzt haben sie endlich ein Thema gefunden: die Vorlage des Senats zur Beschlussfassung zur Änderung des Berliner Landesfischereigesetzes

eine Polemik von UWE RADA

Hartwig Berger ist ein friedliebender Mann. Deshalb liegen dem umweltpolitischen Sprecher der Bündnisgrünen die Friedfische ganz besonders am Herzen. Doch Karpfen, Karauschen, Gründlingen, Rotfedern, Plötzen, Bleien und Schleien geht es womöglich bald an die Kiemen. Schuld daran ist die Drucksache 14/72 des Abgeordnetenhauses „Vorlage zur Beschlussfassung über Gesetz zur Änderung des Landesfischereingesetzes“.

Um orthographische Feinheiten geht es Berger freilich weniger. Es geht ihm ums Ganze, um den Tierschutz und um den Staat, der sich aus einem der wichtigsten Felder der Politik, dem Angelrecht, verabschieden will. Aus diesem Grunde hat Berger die gestrige Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses zur Bühne gemacht: Neben dem Deutschen Anglerverband (DAV) und dem Verband Deutscher Sportfischer (VdSF) kamen auch der Deutsche Tierschutzbund sowie die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) zu Wort. Bergers Ziel: die Friedfische vor dem Tod durch den Angelhaken aus den Händen achtjähriger Bengels zu schützen.

Wem die seit Jahren dauernde Debatte um die Novelle des Landesfischereigesetzes nicht geläufig ist, sei diese kurz erläutert. Schon in der letzten Legislaturperiode hat die Umweltverwaltung eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die aus drei Punkten besteht: Zum ersten soll das Angelalter von Jugendlichen von zwölf auf acht Jahre gesenkt werden, vorausgesetzt sie sind Mitglied eines Angelvereins. Eine Begleitung durch Erwachsene ist nicht mehr nötig.

Zweitens wird der Standort Berlin durch die Einführung eines einmonatigen Touristenangelscheins für Friedfische gestärkt. Und drittens schließlich sollen jene Angler, die bislang nicht nur im Trüben, sondern auch in der Grauzone der Verordnungen fischten, in den Genuss einer Amnestie kommen: Sie brauchen auch künftig keinen Angelschein zu machen.

Gestern nun stand die Novelle erstmals zur Beratung im Parlament. Und die Grünen, ansonsten mit einer der größten Sinnkrisen ihres Daseins beschäftigt, haben endlich wieder ein Thema.

Dreh-, vor allem aber Angelpunkt der bündnisgrünen Friedfischoffensive ist der Rechtsgrundsatz in dubio contra reo. Die scheinbar kinderfreundliche Regelung, so Berger, widerspreche nämlich dem Tierschutzrecht. Und das sehe nun einmal vor, dass Wirbeltiere, zu denen die Fische auch gehören, an Kinder unter sechzehn nicht einmal abgegeben, geschweige denn von ihnen getötet werden dürfen.

Noch deutlicher wird die Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz. Kinder im Alter von acht Jahren, so die BLN, „besitzen noch nicht den nötigen Ernst, die Umsicht und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein“. Zwar konzedieren die Naturschützer den Achtjährigen, dass diese die geangelten Fische nicht unbedingt töten möchten. Aber artgerecht waiden könnten sie den Fang eben auch nicht: „Achtjährige haben kein Empfinden dafür, dass sie die Tiere quälen, wenn sie die lebenden Fische beipielsweise in den Sand legen und dort sterben lassen.“

Kein Wunder also, dass die Berliner Tierärztekammer bedauert, dass beim Gesetzgebungsverfahren keine Jugendpsychologen beteiligt gewesen seien, „die etwas über die Wirkung des Tötens von Tieren durch Kinder auf Kinder ab acht Jahren aussagen können“. Kein Wunder auch, dass das Argument des Anglerverbandes, angelnde Kinder würden weniger den Versuchungen der Straße erliegen, bei Grünen wie Tierschützern ungehört blieb. Schließlich reicht ein Blick nach Brandenburg. Dort wird die Lizenz zum Töten schon seit langem an Achtjährige vergeben. Den Rest kennt man aus der Zeitung.

Doch es ist nicht nur der Schutz der Friedfische vor den Täterkindern, die den Abgeordneten Berger umtreibt. In Zeiten, in denen Finanzsenator Peter Kurth (CDU) vor keinem Tabu haltmacht und sogar die Kernaufgaben des Staates auf den Prüfstand stellen möchte, bläst Berger zum Widerstand gegen den Rückzug des Staates aus seiner Fürsorgepflicht. In einer Fischereiordnung soll fürderhin geregelt werden, „welche Fischarten in welchen Altersklassen wann geangelt werden dürfen und welche nicht; welche Köder verwendet werden dürfen; unter welchen Regeln Gemeinschafts- oder Sportfischen stattfinden muss; welche Schutz- und Laichgebiete für Fische auszuweisen sind“. Ganz folgerichtig stellt Berger deshalb die Blockadepolitik gegen eine Fischereiordnung und die geplante Fischereinovelle in den Gesamtzusammenhang aller Aktivitäten von Umweltsenator Peter Strieder (SPD), „das Angelrecht in Berlin zu deregulieren“.

A propos. Gestern stand im Abgeordnetenhaus nicht nur der Schutz der Friedfische auf der Tagesordnung. Ganz friedlich diskutiert wurden auch die geplanten Kürzungen im Kitabereich und bei der Familienhilfe.