Regierung verbrennt sich am Erdgas

Norwegens christdemokratische Minderheitsregierung unterliegt in einer Abstimmung über Gaskraftwerke und tritt zurück. Jetzt wollen die Sozialdemokraten mit wechselnden Mehrheiten und weniger umweltpolitischen Skrupeln weiterregieren

von REINHARD WOLFF

Norwegens Ministerpräsident, der Christdemokrat Kjell Magne Bondevik, hat am Donnerstagabend seinen Rücktritt erklärt. Nach zweieinhalbjährigem Lavieren mit wechselnden Mehrheiten war die von ihm geführte Minderheitsregierung am Ende. Der Anlass: Die oppositionelle Parlamentsmehrheit, geführt von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der konservativen Höyre, wollte die Regierung zum Bau zweier Gaskraftwerke verpflichten. In Norwegen wird Strom fast ausschließlich aus Wasserkraft gewonnen. Die Nutzung von Erdgas ist wegen des hohen CO2-Ausstoßes heftig umstritten.

Nach verlorener Abstimmung stellte Bondevik die Vertrauensfrage – eine 81:71-Mehrheit sprach ihm daraufhin das Misstrauen aus. An der Bildung einer neuen Regierung wird sich nun der Sozialdemokrat Jens Stoltenberg versuchen. Auch dies wird voraussichtlich eine Minderheitsregierung sein: Mehrheitslösungen blockiert aufgrund des letzten Wahlergebnisses mit einem knappen Fünftel der Parlamentssitze die rechtsradikale Fortschrittspartei, die für keine andere Partei als koalitionsfähig gilt. Und vorgezogene Neuwahlen lässt die Verfassung nicht zu.

Das mittlerweile größte westliche Ölexportland besitzt einen Reichtum, der noch umfangreicher ist als das Erdöl: Erdgas. Bisher wird das als Rohstoff ins Ausland exportiert. Wenn norwegische Gaskraftwerke aber Strom produzierten und exportierten, könnte das Geschäft wesentlich einträglicher sein, lautet die Kalkulation. Der größte Teil der Umweltbewegung hält dies dagegen für eine Fehlrechnung: Bei der Verwandlung von Erdgas in Elektrizität wird nur ein Drittel von dessen Energiegehalt ausgenutzt. Der Rest wird in Wärme umgewandelt – und die kann in Norwegen nicht einmal als Fernwärme sinnvoll eingesetzt werden, weil die Kraftwerke in dünn besiedelten Gebieten errichtet werden sollen. So würde die Wärme größtenteils ungenutzt in die Atmosphäre geblasen.

Nach Meinung der bisherigen Regierungsparteien, Christdemokraten, Zentrum und liberaler Venstre, würde der Bau eines derartigen Kraftwerks auch dazu führen, dass Norwegen seinen CO2-Ausstoß erheblich steigert. Zwei Gaskraftwerke, wie jetzt projektiert, würden so viel CO2 ausstoßen wie 700.000 Pkws.

In der Vergangenheit hatten es die Sozialdemokraten als stärkste Partei gewöhnlich vermieden, der Regierung die Pistole auf die Brust zu setzen und ihr zu offensichtliche Abstimmungsniederlagen zu bereiten – um nicht in die Verlegenheit zu kommen, selbst eine Minderheitsregierung bilden zu müssen. Denn ihr Ministerpräsidentenkandidat Thorbjörn Jagland hatte nach den letzten Wahlen eine Regierungsbildung gerade wegen der mangelhaften parlamentarischen Basis abgelehnt. Jagland ist am 10. Februar durch den wesentlich populäreren Ex-Finanzminister Jens Stoltenberg als Fraktionsvorsitzenden ersetzt worden – und der hat die Probleme nicht.

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